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Hessische Biografie

Hessen-Kassel, Ernst Landgraf zu [ID = 5782]

* 8./18.12.1623 Kassel (Schloss), † 2./12.5.1693 Köln, Begräbnisort: Bornhofen, evangelisch; katholisch
Landgraf
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Andere Namen

Weitere Namen:

  • Hessen-Rheinfels, Ernst Landgraf von
  • Hessen-Rotenburg, Ernst Landgraf von
Wirken

Werdegang:

  • 27.12.1651 zu Köln im Dom Übertritt von der reformierten zur römisch-katholischen Kirche
  • 1635 Rektor der Universität Kassel
  • 1641 Volontär in französischen Kriegsdiensten
  • seit 1642 in Hessen-Kasselschen Diensten. 1642 Kapitän der Infanterie, seit 15.12.1643 Obristleutnant zu Pferde, 1645 Obrist zu Pferde, 1648 Generalwachtmeister (Generalmajor) zu Pferde
  • 12.10. 1663 Kaiserlicher Feldmarschall-Leutnant der Kavallerie gegen die Türken (Stellung jedoch nicht angetreten)
  • Regierender Landgraf zu Rheinfels seit 22.12.1648 (bzw. 1.1.1649)
  • Regierender Landgraf zu Eschwege seit 1655
  • Regierender Landgraf zu Rotenburg seit 1658
  • seine Eingeweide wurden im Kreuzgang des Klosters der barfüßigen Karmeliterinnen in der Kupfergasse zu Köln beigesetzt, der Leichnam im Kapuzinerkloster zu Bornhofen

Funktion:

  • Kassel, Universitätsrektor, 1635-
  • Hessen-Kassel, Kapitän der Infanterie, 1642-1643
  • Hessen-Kassel, Obristleutnant, 1643-1645
  • Hessen-Kassel, Obrist, 1645-1648
  • Hessen-Kassel, Generalmajor, 1648-1649
  • Hessen-Rheinfels, Landgrafschaft, Landgraf, 1649–1658
  • Hessen-Eschwege, Landgrafschaft, Landgraf, 1655–1667
  • Hessen-Rheinfels-Rotenburg, Landgrafschaft, Landgraf, 1658-1693

Werke:

  • Der so wahrhafte als ganz aufrichtige und discret gesinnte Katholik (1660)
  • Pourtraict ou description de la vie du prince Ernest, Landgrave de Hesse, … (1669)
Familie

Vater:

Hessen-Kassel, Moritz Landgraf von, 1572–1632

Mutter:

Nassau-Dillenburg, Juliane Gräfin von, 1587–1643

Partner:

  • Solms-Münzenberg, Maria Eleonore Gräfin von, * Butzbach 6.12.1632, † Köln 12.8.1689, Heirat Frankfurt am Main 10.6.1647, Tochter des Philipp Reinhard I. zu Solms-Münzenberg, Graf und der Elisabeth von Wied, Gräfin
  • Dürnitzel, Alexandrina Ernestina Maria Juliana, * Straubing 1673, † 1754, Heirat Rheinfels 3.1.1690, Tochter des Johann Dürnitzel, Leutnant

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Matthäus Merian d. J. (cropped by Rabanus Flavus), Ernst von Hessen-Rheinfels-Rotenburg, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons (beschnitten)

Leben

Von den sieben Söhnen aus der zweiten Ehe des Landgrafen Moritz, zu deren Versorgung ihre Mutter, Landgräfin Juliane, die Einrichtung der „Rotenburger Quart“ durchgesetzt hatte, starben vier in jungen Jahren. Philipp (geb. 1604) verlor sein Leben 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge; Moritz (geb. 1614) starb 1633 an den Blattern, Christian (geb. 1622) 1640 in schwedischen Kriegsdiensten an den Folgen eines Trinkgelages und Philipp der Jüngere (1626–1629) an der roten Ruhr. Die überlebenden, Hermann (1607–1658), Friedrich (1617–1655) und Ernst, teilten die Quart unter sich auf, wobei Ernst die 1648 von Hessen-Darmstadt an Hessen-Kassel zurückgegebene und vereinbarungsgemäß der Quart zugeschlagene Niedergrafschaft Katzenelnbogen mit den Festungen Rheinfels und Katz übernahm. Da die Brüder ohne männliche Erben starben, wurde Ernst, seit 1658 Alleininhaber der Quart, zum Begründer der Nebenlinie Hessen-Rheinfels-Rotenburg.

Wie bei all ihren Kindern hatte Landgräfin Juliane trotz für sie persönlich schwieriger Zeit dafür gesorgt, dass auch Ernst und sein nur ein Jahr älterer Bruder Christian eine gründliche Ausbildung und eine dem reformierten Bekenntnis verpflichtete religiöse Erziehung bekamen. 1635, mit gerade zwölf Jahren, wurde Ernst als Nachfolger des ein Jahr älteren Christian zum Rektor der Universität Kassel ernannt. Im Folgejahr traten beide Brüder trotz der unruhigen Kriegszeit eine nahezu sechsjährige Kavalierstour an, die sie nach Holland, England, Frankreich, in die Schweiz und nach Italien führte und längere Studienaufenthalte in Genf, Florenz und Paris einschloss. Im eigenhändig verfassten Lebenslauf hat Ernst die Eindrücke der Reise ausführlich beschrieben. Neben den dabei gewonnenen Sprachkenntnissen und den Kontakten zum französischen Hof wurde vor allem die Begegnung mit der katholischen Welt wichtig für die weitere Entwicklung des jungen Fürsten. Aus anfangs strikter Ablehnung wuchs Interesse. Zunächst blieb jedoch für intellektuelle Auseinandersetzungen wenig Zeit. Nach dem Ende der Bildungsreise ging Christian Ende 1639 nach Schweden. Ernst begann als Volontär in der französischen Armee, war aber schon 1642 Infanterie-Kapitän im hessischen Heer. Inzwischen Generalwachtmeister zu Pferde, geriet er noch kurz vor Kriegsende 1648 bei Geseke in Gefangenschaft. Dass er im Quartier des kaiserlichen Generals Guaillaume de Lamboy (um 1590–1659) zusammen mit dessen Beichtvater, dem Jesuitenpater Schott, untergebracht war, führte zu intensiven Diskussionen über religiöse Fragen.

Mit dem Westfälischen Frieden beendete Ernst seine militärische Karriere und lehnte auch später die ihm noch zahlreich angebotenen Posten ab, zuletzt den eines kaiserlichen Generalfeldmarschallleutnants, den ihm der Wiener Hof 1663 im Hinblick auf einen bevorstehenden Türkenkrieg antrug. Er wollte seine Unabhängigkeit bewahren, zu der vorab das Reisen gehörte: Nach eigenem Bekunden hielt er sich für längere oder kürzere Zeit 13-mal in Italien (vorwiegend in Venedig) und je siebenmal in Paris und den Niederlanden auf. Weiterer Schwerpunkt war sein intellektueller Kosmos, seine Welt der Bücher, gelehrten Korrespondenzen und Diskussionen.

Zunächst musste er sich jedoch um die Verwaltung des ihm zugefallenen Territoriums kümmern, eine Aufgabe, die er ernst nahm, auch wenn die von der Kasseler Hauptlinie auferlegten Beschränkungen und die knappen Finanzen ihn belasteten. Er baute Burg Rheinfels, die er wegen der Nähe zum katholischen Umfeld und der günstigen Verkehrs- und Postwege als Residenz auch nach 1658 beibehielt, zur stattlichen Festung aus und machte sie zu einem Zentrum des geistigen Austauschs mit Gelehrten aus ganz Europa. Am Sommersitz Schwalbach ließ er das von seinem Vater erbaute Schlösschen um einen Wohntrakt erweitern, der durch einen Gang mit der 1652 errichteten katholischen Kirche verbunden war, und sorgte für neue Quartiere für die zahlreicher werdenden Kurgäste. Das von der landgräflichen Kanzlei in St. Goar überwachte Kur- und Badeleben regelte eine von Landgraf Ernst entworfene Badeordnung.

Die 1650 in Absprache mit den Brüdern unternommene Reise nach Wien zur Gewinnung kaiserlicher Unterstützung für die Lösung der Quart aus der Abhängigkeit von Kassel und zur Verhinderung der Anerkennung des von der Hauptlinie angestrebten Erstgeburtsrechts blieb erfolglos. Im Regensburger Vertrag vom 1./11. Januar 1654 mussten die Brüder sowohl die Primogenitur im Hause Hessen-Kassel wie die Kasseler Hoheitsrechte in der Quart offiziell anerkennen; Teilerfolg war die Beschränkung des Besatzungsrechts für die Festen Rheinfels und Katz auf Kriegszeiten. Obwohl Ernst sich weiterhin um Unabhängigkeit und Souveränität bemühte, blieb die Quart bis zu ihrem Ende 1834 ein von Kassel abhängiges souveränes Teilfürstentum.

Dass Ernst auf der Wien-Reise nach einer Begegnung mit Kapuzinergeneral Valerianus Magnus (1586–1661) den Übertritt zum Katholizismus beschloss, hat ihm den Vorwurf eingetragen, er sei um des politischen Vorteils willen konvertiert. In der Tat festigte die Unterstützung des Wiener Hofs und der katholischen Kurfürsten seine Stellung gegenüber Kassel. Doch dürfte der Bekenntniswechsel, wie er dies wiederholt bekundet hat, vorrangig aus persönlicher Überzeugung erfolgt sein, wobei auch das Argument der Zerstrittenheit der Protestanten eine Rolle spielte. Dem 1652 gemeinsam mit seiner Gemahlin im Kölner Dom vollzogenen Übertritt zum katholischen Glauben ließ er 1651 eine Disputation von zunächst nach Frankfurt, dann nach Rheinfels geladenen Theologen der verschiedenen Bekenntnisse vorangehen. Bei den Bemühungen um Wiederherstellung des katholischen Bekenntnisses in der Niedergrafschaft blieb er tolerant, zumal die Oberhoheit in Religionsfragen bei Hessen-Kassel lag, was ein im Juni 1656 geschlossener Vergleich ausdrücklich anerkannte. Danach war katholischen Priestern die öffentliche Religionsausübung nur in Rheinfels, Schwalbach und Nastätten gestattet. Landgraf Ernst blieb in seiner bisher nur teilweise bearbeiteten Korrespondenz mit Gelehrten und Theologen der Zeit, unter anderem mit Leibniz und Spener, um die Aussöhnung der Konfessionen bemüht. Unter den zahlreichen, von ihm verfassten Druckschriften macht der 1673 erschienene Warhaffte, auffrichtige und discrete Catholische das Streben des Landgrafen nach Glaubenseinung und seine auch der katholischen Kirche gegenüber kritischen Reformvorschläge besonders deutlich.

Ernst hat immer wieder versucht, in Briefen, autobiografischen Niederschriften und Memoranden Rechenschaft über sein Handeln abzulegen und das gespannte Verhältnis zu seiner Familie zu erklären. Für die ihm intellektuell nicht ebenbürtige Landgräfin Leonore, die er 1647 ohne Rücksicht auf die bereits projektierte Verlobung mit einer Nassauer Gräfin nach eigenem Bekunden wegen ihrer großen Schönheit geheiratet hatte, finanzierte er mehr als 20 Jahre eine eigene Hofhaltung in Boppard, aber auch Aufenthalte in den Kölner Klöstern der Karmeliterinnen und Ursulinen und (eines Erbrechtsstreits mit ihrer Solmser Familie wegen) in Wetzlar. Belastend waren neben den Unterhaltskosten für die Witwen der Brüder auch die Kosten für die getrennten Hofhaltungen seiner beiden Söhne, mit denen er die trotz persönlicher Einschränkungen angehäuften Schulden rechtfertigte. Als Landgräfin Leonore 1689 in Köln starb, ließ sie Ernst, ihrem Wunsche folgend, im Kloster der barfüßigen Karmeliterinnen beisetzen. Ein halbes Jahr später heiratete er in morganatischer Ehe die erst siebzehnjährige Alexandrine von Dürnizl (um 1673–1754), die gemeinhin Madame Ernestine genannt wurde.

Im Wissen um die exponierte Lage seiner Residenz hat sich Ernst stets um gute Beziehungen zu Frankreich bemüht. Angesichts der wachsenden Verschuldung hat er König Ludwig XIV. (1638–1715) sogar den Verkauf von Rheinfels angeboten, was ihm, obwohl die Franzosen wegen des überhöhten Preises ablehnten, von Kasseler Seite den Vorwurf des Landesverrats eintrug. Als französische Truppen während des Pfälzer Krieges 1692 auch Rheinfels angriffen, musste Ernst die Verteidigung widerstrebend den Kasseler Truppen überlassen und sich selbst nach Schwalbach zurückziehen. Der französische Angriff auf Rheinfels konnte nach schweren Kämpfen abgewehrt werden. Doch Landgraf Ernst verlor mit dem niedergebrannten Wohnbau auch seine reiche Bibliothek. Er übersiedelte krank und verbittert nach Köln, wo er im Mai 1693 starb und in Bornhofen bestattet wurde.

Uta Löwenstein

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 197-199)

Zitierweise
„Hessen-Kassel, Ernst Landgraf zu“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/118963287> (Stand: 25.3.2024)