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Hessische Biografie

Portrait

Wilhelm der Ältere Landgraf von Hessen-Rotenburg
(1648–1725)

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GND-Nummer

1109099231

Hessen-Rotenburg, Wilhelm der Ältere Landgraf von [ID = 10077]

* 15.5.1648 Kassel, † 20.11.1725 Langenschwalbach heute Bad Schwalbach, Begräbnisort: Langenschwalbach heute Bad Schwalbach katholische Kirche St. Elisabeth, evangelisch-reformiert
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 3.3.1669: Eheschließung mit Gräfin Maria Anna von Löwenstein-Wertheim

Funktion:

  • Hessen-Rotenburg, Landgraf, 1693-1725

Lebensorte:

  • Kassel
Familie

Vater:

Hessen-Rheinfels-Rotenburg, Ernst I. Landgraf von, * Kassel 8./18.12.1623, † Köln 2./12.5.1693

Mutter:

Solms-Münzenberg, Maria Eleonore Gräfin von, * Butzbach 6.12.1632, † Köln 12.8.1689, Heirat Frankfurt am Main 10.6.1647, Tochter des Grafen Philipp Reinhard I. zu Solms-Münzenberg und der Gräfin Elisabeth von Wied

Partner:

  • Löwenstein-Wertheim, Maria Anna Gräfin von, 1652–1688, Heirat Rochefort 3.3.1669

Verwandte:

  • Hessen-Wanfried, Wilhelm der Jüngere von <Neffe>, 1681–1731
  • Hessen-Wanfried, Carl Landgraf von <Bruder>, 1649–1711, 1693 als Landgraf Begründer der bis 1755 bestehenden Nebenlinie Hessen-Wanfried
  • Hessen-Rotenburg, Eleanore von <Tochter>, * 26.11.1674
  • Hessen-Rotenburg, Eleanore Maria Amalie von <Tochter>, * 25.9.1675, Heirat Theodor Eustach, Pfalzgraf von Sulzbach
  • Hessen-Rotenburg, Elisabeth Katharina Felicitas von <Tochter>, * 14.2.1677, Heirat 1. Franz Alexander Prinz von Nassau-Hadamar, 2. Anton Ferdinand Graf von Attems
  • Hessen-Rotenburg, Sophie von <Tochter>, * 4.4.1678
  • Hessen-Rotenburg, Maria Amelie Wilhelmine von <Tochter>, * 6.8.1679
  • Hessen-Rotenburg, Joaneta von <Tochter>, * 12.9.1680, religiosa
  • Hessen-Rotenburg, Ernestina von <Tochter>, * 23.10.1681, Heirat Roberto Conde de La Cerda de Villalonga
  • Hessen-Rotenburg, Ernst II. Leopold Landgraf von <Sohn>, * 15.6.1684, Heirat Eleonore Maria Anna Gräfin zu Löwenstein-Wertheim-Rochefort, ab 1725 Landgraf
  • Sommerau, Philipp von <Sohn>, illegitim, Mutter: Buseck, Maria Antonia von, geb. Fechenbach
  • Cörnberg, Burkhard von <Sohn>, illegitim
Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Landgraf Wilhelm „der Ältere“, Ölbild, Schloss Corvey (Foto: Andreas Krukemeyer/Boffzen) (beschnitten), in: Franz, Das Haus Hessen, Darmstadt 2012, S. 200

Leben

Schon 1652 erhielt der erst vierjährige älteste Sohn Landgraf Ernsts die Anwartschaft auf ein Kanonikat des Domstifts Köln. Von 1655 an bis zur Heirat 1669 bezog er als seit 1656 mit der Tonsura clericalis versehener Stiftsherr eine Präbende. Allerdings zeigte er zum geistlichen Leben ebenso wenig Neigung wie zu gelehrten Studien. Von der Mutter verwöhnt, fühlte er sich vom Vater, der immer wieder vergeblich versuchte, ihn als seinen designierten Nachfolger zumindest mit den Grundbegriffen der Landesverwaltung und Kanzleiarbeit vertraut zu machen, gegängelt, kritisiert und nicht zu Unrecht gering geschätzt. Die vermutlich einzige Gemeinsamkeit zwischen Vater und Sohn war die Reiselust, die Ernst bei Wilhelm allerdings als Unrast bezeichnete, die ihn seiner Familie entfremde und in fragwürdige Gesellschaft und Schulden treibe.

Als 1683 die mit Zustimmung ihres Schwagers in Rotenburg lebende Witwe Landgraf Hermanns starb, bestand Wilhelm zum Ärger des Vaters, der ihm Rheinfels zugedacht hatte, auf der Einrichtung einer eigenen Residenz in Rotenburg. Nachdem er vertraglich zugesichert hatte, Rotenburg bei Bedarf jederzeit zurückzugeben und nach Landgraf Ernsts Tod dem Bruder Carl abzutreten, bezog er 1684 das Rotenburger Schloss und erklärte alsbald, dass er den ihm abgenötigten Vertrag nicht einzuhalten gedächte. Er ließ die während der Witwenschaft der Tante Kunigunde Juliane recht unansehnlich gewordenen Gebäude ausbessern und 1706 für sich und seine Diener eine katholische Kapelle im Schloss einrichten, um den Dauerstreit mit der Regierung in Kassel wegen der Nutzung der weiterhin reformierten Schlosskirche zu beenden. Auch der Schlossgarten wurde dem Zeitgeschmack angepasst und von einem Renaissancegarten in eine Barockanlage umgewandelt. Den Unterhalt der 1692 schwer beschädigten und bis zum Frieden von Ryswijk noch von hessen-kasselischen Truppen besetzten Festung Rheinfels vernachlässigte er aus Desinteresse, aber sicher auch wegen fehlender finanzieller Mittel und beeinflusste sogar die Kurfürsten von Trier und Mainz, die Schleifung vorzuschlagen. Das scheiterte allerdings am Widerstand Landgraf Karls in Kassel, der seinerseits beträchtliche Gelder zum Erhalt der Festung aufwandte. Mit den Friedensschlüssen von Rastatt und Baden erhielt Wilhelm 1714 die Festung zwar wieder zurück, verzichtete aber darauf zugunsten seines gleichnamigen Neffen Wilhelm.

In der Hoffnung auf militärischen Ruhm und große Beute beschloss Wilhelm der Ältere 1686 – trotz der Warnungen des Vaters – am Türken-Krieg in Ungarn teilzunehmen, von wo er schon bald, verschuldeter denn je, nach Rotenburg zurückkehrte. Die Beute bestand vor allem aus zwei Türkinnen, von denen er eine für 50 Reichstaler an den Vater verkaufte. Die andere machte er zu seiner Geliebten und zeugte mit ihr drei seiner fünf nachgewiesenen illegitimen Kinder. Die anderen beiden waren der 1679 von Maria Antonia von Fechenbach (verheiratet von Buseck) geborene Philipp von Sommerau und Burkhard von Cörnberg († 1738), als dessen Mutter man die Kammerjungfer Catharina vermutet. 1687 trat Wilhelm zum Ärger seines Vaters für mindestens ein Jahr als Obrist in hessen-kasselische Dienste. Sein Leben war bestimmt von einem schon nahezu pathologischen Misstrauen gegen seine Umgebung, das auch vor Frau und Kindern nicht haltmachte und seine Ehe ebenso belastete wie seine Affären, die der zur Eifersucht neigenden Gattin Maria Anna (Marantelgen), mit der er seit 1669 verheiratet war, durchaus nicht gleichgültig waren.

Mehr als alle anderen hasste Wilhelm den jüngeren Bruder Carl, dem er unterstellte, ihn in seinen Herrschaftsrechten schmälern zu wollen. Dass er gegen den väterlichen Wunsch auf der Residenz in Rotenburg bestanden hatte, brachte eine räumliche Nähe zu Carl in Wanfried mit sich, die beim Temperament der Brüder ständige Streitereien zur Folge hatte. Die von Landgraf Ernst 1670 testamentarisch bestimmte Einführung des Primogeniturrechts in der Quart, die trotz erbitterten Widerstands aus Kassel 1692 vom Kaiser bestätigt wurde, scheiterte am Protest von Carls Söhnen, die die Rücknahme der kaiserlichen Bestätigung erzwangen. Auch Potenzneid spielte im vergifteten Verhältnis der Brüder eine Rolle: Es wurmte Wilhelm, dass Carl schon 1671 den ersten und danach noch sechs weitere Söhne erzielte, während er selbst nach sieben Töchtern erst 1684 einen legitimen männlichen Erben bekam.

Der Dauerstreit eskalierte, als 1704 der Rotenburger Präsident, der gewesene kaiserliche Hofrat und Abenteurer fragwürdiger Herkunft Hans Jacob von Batzendorf, mit Wilhelm aneinander geriet, Rotenburg verließ und in die Dienste Carls trat. Nach zwei vergeblichen Versuchen, des ungetreuen Dieners wieder habhaft zu werden, überfiel Wilhelm mit seinen Leuten und in Begleitung seines Sohnes in der Nacht zum 2. August seinen Bruder Carl und Batzendorf, die auf der Reise nach Schwalbach in Cornberg übernachteten. Nach schweren Misshandlungen wurde Batzendorf an Ort und Stelle von Wilhelm erschossen. Obwohl er die Tat später als Unfall ausgab, wurde er auf die Klage der Witwe hin 1713 vom Reichshofrat zu einer Entschädigungszahlung von 6.000 Gulden verurteilt. Wilhelm starb 1725 in Schwalbach und wurde, seinem letzten Testament entsprechend, dort in der von seinem Vater erbauten Kirche beigesetzt. Bereits 1688 war seine zu Oberlahnstein verstorbene Frau im Kloster St. Martin in Boppard bestattet worden. Mit der Abwicklung der aufgelaufenen Schulden war eine kaiserliche Kommission noch 1736 befasst.

Uta Löwenstein

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 200 f.)

Zitierweise
„Hessen-Rotenburg, Wilhelm der Ältere Landgraf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1109099231> (Stand: 25.3.2024)