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Hessische Biografie

Hessen-Darmstadt, Ludwig VIII. Landgraf von [ID = 1344]

* 5.4.1691 Darmstadt, † 17.10.1768 Darmstadt, evangelisch-lutherisch
Fürst, Generalfeldmarschall, Komponist, Parforcejäger
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • seit 1707 Rector magnificus der Universität Gießen
  • 1722 Kaiserlicher Feldmarschall-Lieutenant
  • 1733 Generallieutenant über alle hessen-darmstädtischen Truppen
  • 1735 Kaiserlicher General der Kavallerie
  • folgt 1739 als regierender Fürst
  • 1745 Übergabe des Wahldekrets der Kurfürsten an Franz Stephan von Lothringen in Heidelberg
  • 7.5.1746 Kaiserlicher Wirklicher Feldmarschall
  • ließ 1742 Spinnhäuser einrichten, 1746 Errichtung eines Landeswaisenhauses
  • 1746 K.K. Oberst und Inhaber des Dragoner-Regiments des Grafen D'Ollone
  • 1750 Obrist der Kreistruppen
  • Kaiserlicher Generalfeldmarschall im Siebenjährigen Krieg
  • führte bis 1766 die vormundschaftliche Regierung in Hessen-Homburg
  • 1767 Erlaß einer Verordnung für eine erste Straßenbeleuchtung in Darmstadt, Verordnungen gegen das Kaffeetrinken
  • Förderer der Künste, der Maler Johann Christian Fiedler, Johann Conrad Seekatz, Christian Ludwig von Löwenstern, der Oper in Darmstadt, an der Christoph Graupner und Ernst Christian Hesse wirkten
  • als „Jagdlandgraf“ bekannt, residierte er am liebsten auf seinem Jagdschloss Kranichstein
  • starb während einer Aufführung in der Loge in der Darmstädter Oper
Familie

Vater:

Hessen-Darmstadt, Ernst Ludwig Landgraf von, * Gotha 15.12.1667, † Jägersburg bei Einhausen 12.9.1739, regierender Fürst in Hessen-Darmstadt

Mutter:

Brandenburg-Ansbach, Dorothea Charlotte Prinzessin von, GND, * Ansbach 18.11.1661, † Darmstadt 15.11.1705, Heirat Darmstadt 1.12.1687

Partner:

  • Hanau-Münzenberg, Charlotte Christine Gräfin von, 1700-1726, Heirat Philippsruhe 5.4.1717
  • Richard, NN <Mätresse>, Sängerin, „Madame Richard“, begegnet 1736 dem Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt in Paris und folgt ihm 1737 als Mätresse nach Darmstadt, geht bald nach Kassel weiter
  • Clotz, Friederica Elisabetha <Mätresse>, 1713-1743, Hofdame in Darmstadt, um 1740/43 Mätresse des Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt
  • Martini, Helene <Mätresse>, 1738-1803, Fstl. Silberwärterin, ab 1743 Mätresse des Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Pons, Die Kunst der Loyalität, S. 11. Vorlage: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. - Gemälde von Johann Christian Fiedler, 1739 (Ausschnitt).

Leben

Die Kinderjahre des Erbprinzen waren belastet von den Wirren des Pfälzer Krieges, der wiederholten Verlagerung des Darmstädter Hofs in die oberhessische Festungsstadt Gießen. Auch nachdem die Eltern 1698 mit einem voreilig gefeierten „Friedensjubelfest“ in die Residenz zurückgekehrt waren, blieb Ludwig mit seinem Hofmeister zumindest zeitweilig in der Universitätsstadt, wo er 1707 zum 100. Gründungsjahr „Rector magnificus“ wurde. Die geplante „Grand Tour“ wurde nach dem Tod der Mutter verschoben und im Winter 1706/07 zunächst auf die Schweiz beschränkt. Der zweite Teil der Reise führte im Frühjahr 1709 – zum Teil zusammen mit Bruder Franz – nach Holland und in die Spanischen Niederlande; sie endete, nach zeitweiliger Beteiligung an den Kampfhandlungen, mit einem mehrwöchigen Besuch am englischen Königshof in London. Eine für 1716 geplante Frankreich-Reise entfiel aus Kostengründen.

Weihnachten 1716 kam es jedoch zur Verlobung mit der Hanauer Erbtochter Charlotte. Dass die Braut nach der an Ludwigs 26. Geburtstag im Folgejahr in Schloss Philippsruhe gefeierten Hochzeit an der sogenannten „Heimführung“ nach Darmstadt wegen einer Röteln-Erkrankung nicht teilnehmen konnte, tat dem Wert dieser Verbindung keinen Abbruch. Schon 1717 reiste Ludwig zu einer ersten Inspektion nach Buchsweiler. Der tatsächliche Erbfall, der den Darmstädtern das wertvolle Hanau-Lichtenberger Erbe samt Anteil an Babenhausen einbrachte, folgte keineswegs ganz unverhofft, wie es auf der Gedenkmünze heißt, jedoch erst mit dem Tod des letzten Hanauer Grafen Johann Reinhard 1736, ein Jahrzehnt nach dem Ableben der kurz nach der Geburt des sechsten Kindes in geistiger Verwirrung verstorbenen Erbprinzessin. Ludwig reiste zwar im Frühsommer 1736 zur offiziellen Übernahme des Erbes nach Buchsweiler, Paris und Straßburg, überließ die Regierung der Grafschaft aber de facto dem Sohn.

Während der junge Ludwig [IX.] auf Veranlassung des Hanauer Großvaters schon früh in Buchsweiler auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet wurde [s. HD 45], hat Landgraf Ernst Ludwig den mittlerweile über 40jährigen Erbprinzen offensichtlich systematisch von den Regierungsgeschäften ferngehalten. Auch die Ernennung zum österreichischen Feldmarschall-Leutnant 1722 brachte kein konkretes militärisches Kommando, obwohl Prinz Ludwig laut Urkunde dem letzt verwichenen Reichs-Krieg freywillig beygewohnet hatte. Man hört von Vergnügungen unterschiedlicher Art, von den französischen Musikern und Künstlern, die aus Paris mit nach Darmstadt gekommen waren. Dass der Darmstädter Prinz bei einem längeren Besuch am Kasseler Hof anlässlich der Hochzeit seiner Schwester Charlotte im Winter 1720/21 mit feierlicher Urkunde zum „Pürschknecht“ der „Jagdgesellschaft des zahmen und schmalen Wildbrets“ ernannt wurde, bezeugt die Übernahme der väterlichen Jagdbegeisterung. Die in Darmstadt aus Geldnot eingestellte Parforce-Jagd konnte allerdings erst nach dem Thronwechsel 1739 wieder aufgenommen werden. Das Jagdleben um das vom künftigen „Jagd-Landgrafen“ Ludwig VIII. zur eigentlichen Residenz gemachte Jagdschloss Kranichstein dokumentiert das heutige Jagdmuseum mit den Arbeiten seiner Hof- und Jagdmaler J. E. Ridinger (1698–1767), Johann Tobias Sonntag (1716–1774), J. C. Seekatz (1719–1768), G. A. Eger (1727–1808) und J. G. Stockmar († 1759), der den mit sechs Hirschen bespannten Prunkwagen gemalt hat, in dem sich Ludwig VIII. in späteren Jahren mit seiner Maitresse Helene Martini präsentierte. Von entscheidender Bedeutung für das Schicksal der verschuldeten Landgrafschaft wurde die Reaktivierung der traditionell engen Beziehungen zum Wiener Hof. Noch als Erbprinz wurde Ludwig nach der Teilnahme am Polnischen Erbfolgekrieg 1735 zum kaiserlichen General der Kavallerie ernannt; 1741 bekam er die gern zur Schau gestellte Uniform eines Generalfeldmarschalls. Ausgesprochen freundschaftlich wurde das Verhältnis zur jungen Königin Maria Theresia und ihrem Ehemann Franz Stephan von Lothringen; ihm durfte Ludwig VIII. 1745 auf der Fahrt zur Kaiserkrönung im Auftrag des Kurfürstenkollegiums in Heidelberg das Wahldekret überbringen, was mit der Übertragung eines Dragonerregiments belohnt wurde. 1750, als Ludwig das Amt des Kreisobristen am Oberrhein übernahm, kam die von den Darmstädter Brüdern Knauß ( Friedrich und Ludwig) gearbeitete prächtige „Vorstellungsuhr“ als Geschenk in die Wiener Hofburg. Die guten Beziehungen haben zweifellos dazu beigetragen, dem weiterhin hoch verschuldeten Landgrafen die drohende Reichs-Exekution zu ersparen. Touchante für die Beteiligten war das Ende März 1764 im Wald bei Heusenstamm arrangierte Treffen des von der Gicht gezeichneten Landgrafen mit Kaiser Franz und seinen Söhnen, die zur Königskrönung Josefs II. nach Frankfurt reisten.

Nachdem die hohe Zeit der Darmstädter Barockmusik mit dem Tod des langjährigen Hofkapellmeisters Christoph Graupner (1683–1760) zu Ende gegangen war, galt Ludwigs besonderes Interesse dem mit Gastspieltruppen reaktivierten Theater. Stilvoll beim Schluss-Applaus einer Aufführung des George Lillo-Stücks „Der Kaufmann von London“ im De la Fosse-Opernhaus wurde der Landgraf 1768 vom tödlichen Schlag getroffen.

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 303-305)

Zitierweise
„Hessen-Darmstadt, Ludwig VIII. Landgraf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/101052871> (Stand: 5.4.2024)