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Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft lehnt gewerkschaftliche Lohnforderungen ab, 12. Juli 1951

Das branchenübergreifende Koordinierungsgremium der deutschen Wirtschaftsverbände, der am 23. Februar 1950 gegründete Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, beschließt, alle gewerkschaftlichen Lohnforderungen abzulehnen. Dieser Entschluss, der am folgenden Tag als Erklärung zur „Lohn- und Preisfrage“ veröffentlicht wird1 bildet die Reaktion der Spitzenverbände der Unternehmer auf die seit Wochen bundesweit und in erheblichem Umfang aufgestellten Forderungen der Gewerkschaften nach Lohnerhöhungen. Das Gremium teile jedoch nicht die Ansicht der Arbeitnehmervertreter, dass Neuaushandlungen der Tarife und Lohnerhöhungen aufgrund bevorstehender Preiserhöhungen bei bestimmten Grundnahrungsmitteln unausweichlich seien. Vielmehr sei es den am paritätischen Ausschuss „Löhne und Preise“ beteiligten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern gelungen, die Bundesregierung zu einer Fortsetzung der Preisstützungsmaßnahmen zu bewegen. Darum betrachte man die Lohnforderungen der Gewerkschaften in ihren entscheidenden Voraussetzungen als hinfällig. Vielmehr sei es „höchste Pflicht aller verantwortungsbewußten Persönlichkeiten auf beiden Seiten, nichts zu verlangen oder zu bewilligen, was die gemeinschaftlichen Bemühungen um die innerwirtschaftliche Stabilität unserer Verhältnisse gefährden könnte“.2 Die Spitzenverbände der Unternehmer legen daher den angeschlossenen Mitgliedern dringend nahe, „bei etwaigen Verhandlungen den gestellten Forderungen nicht zu entsprechen“.3 Diese Empfehlung, die faktisch der Durchsetzung eines „Lohndiktats“ gleichkommt, spielt im Folgenden eine entscheidende Rolle im Tarifkonflikt zwischen der hessischen IG Metall und dem hessischen Metall-Arbeitgeberverband, der Ende August 1951 zum ersten großen mehrwöchigen Flächenstreik in Hessen nach dem Zweiten Weltkrieg führt, und an dem sich bis zu 80.000 Beschäftigte der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie beteiligen.4
(KU)


  1. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.7.1951, S. 3.
  2. Ebd.
  3. Ebd.
  4. Die „Lohndiktatserklärung“ des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft wird zum zentralen Gegenstand der am 16. Juli 1951 abgehaltenen zweiten Verhandlungsrunde im Streit um die gewerkschafliche Forderung einer Lohnerhöhung um zwölf Pfennig pro Stunde in der hessischen Metallindustrie. Die Bezirksleitung der IG Metall in Frankfurt am Main hatte am 31. Mai 1951 mit Wirkung zum 15. Juni die bestehenden Lohn- und Gehaltstarife für die Beschäftigten der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie gekündigt.
Records
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.7.1951, S. 3: „Arbeitslosigkeit oder Inflation“. Erklärung des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft
Recommended Citation
„Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft lehnt gewerkschaftliche Lohnforderungen ab, 12. Juli 1951“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/4695> (Stand: 12.7.2023)
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