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Unterschriftenkampagne der CDU gegen doppelte Staatsbürgerschaft, 10. Januar 1999

Nach fünfstündiger Diskussion stimmt der Vorstand der CDU auf seiner Klausurtagung in Königswinter (Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen) mehrheitlich einem Beschlusspapier zu, das die generelle Zulassung der doppelten Staatsangehörigkeit für Ausländer, die länger als acht Jahre in Deutschland leben, ablehnt, und eine zwischen dem CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble (1942–2023) und dem bayerischen Ministerpräsidenten und designierten CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber (geb. 1941) verabredete Unterschriftenaktion befürwortet, die sich gegen die von der rot-grünen Bundesregierung beabsichtigte Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts wendet. Die Unterschriften der äußerst umstrittenen Kampagne werden insbesondere zu Jahresbeginn 1999 im Landtagswahlkampf in Hessen (Wahlen zum 15. Hessischen Landtag am 7. Februar 1999) an den Wahlkampfständen der CDU ausgelegt und provozieren zahlreiche Protestaktionen, die zum Teil gewaltsam verlaufen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung der von Stoiber und Schäuble angeregten Kampagne, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung offensiv gegen Zuwanderung richtete (und der drei Mitglieder des Bundesvorstandes der Union ihre Zustimmung verweigern), enthält der nun vereinbarte Beschluss eine wichtige Akzentverschiebung: die Aktion soll zu einer unter mehreren Maßnahmen herabgestuft werden, mit denen das Ziel verfolgt wird, die in Deutschland lebenden Ausländer besser zu integrieren („Ja zu Integration – Nein zu doppelter Staatsangehörigkeit“). Die Kampagne stößt bei SPD und GRÜNEN, bei der FDP, und teils auch in den eigenen Reihen der Unionsparteien auf heftige Kritik. Dem Sieger der bevorstehenden hessischen Landtagswahl und spätere Ministerpräsident Roland Koch (geb. 1958) gelingt trotz der heftig geführten Debatte und entgegen den Vorhersagen der Demoskopen ein überraschend klarer Wahlsieg.

Am selben Tag spricht sich auch Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (geb. 1944; CDU) auf dem DGB-Neujahrsempfang gegen den generellen Erwerb der doppelten Staatsbürgerschaft aus. Sie bezeichnet das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht zugleich als reformbedürftig und betont, „wer Deutscher werden wolle, solle die deutsche Sprache beherrschen“. Frankfurter Oppositionspolitiker zeigen sich daraufhin enttäuscht: Roth „habe eine Chance vertan, sich von der geplanten Unterschriftenaktion der CDU zu distanzieren“.1
(KU)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.1999, S. 50.
Records
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.1999, S. 3: Nicht mehr eine Unterschriftensammlung gegen etwas, sondern eine Aktion „für unsere Anliegen“. CDU-Vorstandsmitglieder stimmen aus Rücksicht auf Schäuble zu / Von Karl Feldmeyer
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.1999, S. 50: „Gegen doppelte Staatsbürgerschaft“
Additional Information
Hebis-Schlagwort
Deutschland ; Einwanderungspolitik ; Mehrstaater ; Christlich-Demokratische Union Deutschlands ; Staatsangehörigkeitsrecht ; Politische Auseinandersetzung
Recommended Citation
„Unterschriftenkampagne der CDU gegen doppelte Staatsbürgerschaft, 10. Januar 1999“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1622> (Stand: 27.12.2023)
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