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Hinrichtung des Kasseler Pallottiner-Paters Johann Kremer in Brandenburg, 6. November 1944

Der zu den Junkerswerken in Kassel dienstverpflichtete Pallottiner-Pater Johann Albert Kremer (geb. 1893) wird im Zuchthaus Brandenburg an der Havel hingerichtet, weil er ausländische Arbeiter unterstützt hat.

Der der Pallottiner-Gemeinschaft angehörende Pater1, Sohn einer wohlhabenden Mannheimer Kaufmannsfamilie, war 1921 im Limburger Haus der Pallottiner aufgenommen worden und arbeitet dort jahrelang zurückgezogen in der Kanzlei und in anderen Tätigkeitsbereichen der geistlichen Gemeinschaft. Im Sommer 1941 bedrängte die Frankfurter Gestapo die Limburger Pallottiner, führte Hausdurchsuchungen durch und unterzog die Angehörigen der einzigen deutschen Niederlassung der apostolischen Vereinigung zahllosen Verhören. Unter dem Vorwand, dass die Priester und Brüder sowohl gegen das Verbot kirchlicher Sammlungen als auch gegen andere Auflagen verstoßen hätten, wurden mehrere Pallottiner verhaftet, um den Inhaftierten Geständnisse abzuzwingen, die die Glaubensvereinigung belasten sollten.Unter den Gefangenen der Gestapo befand sich auch Johann Kremer (sein Name innerhalb der Gemeinschaft: Johannes Leodegar), den man im Frühjahr 1942 zum Pfarrerdienst im Motorenbau Werk Kassel (MWK), einem Zweigwerk der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG Dessau verpflichtete. Der Besitz der Pallottiner wurde im Februar 1942 beschlagnahmt und die Räume des Limburger Hauses versiegelt.

Kremer stieß im Betrieb der MWK anfangs auf Ablehnung, freundliche Aufnahme fand er aber in der Arbeitergemeinde St. Kunigundis in Bettenhausen. Eine Angestellte des Junkers-Werkes, die er einmal wegen ihres groben Verhaltens gegen ausländische Arbeiter zurechtgewiesen hatte, zeigte ihn schließlich wegen „zersetzender“ Äußerungen an, woraufhin Kremer erneut durch die Gestapo verhört und im Gefängnis in der Leipziger Straße inhaftiert wurde. Ihm unterstellte regimekritische Äußerungen führten zur Anklage und Verurteilung vor dem Volksgerichtshof. Geistliche und aktiven Mitglieder der Gemeinde St. Kunigundis hatten bereits einige Jahre zuvor wiederholt durch eine oppositionelle Haltung das Missfallen der Staatsmacht erregt (zwei Bettenhausener Priester waren bereits in den ersten Kriegsjahren wegen „staatsfeindlicher und defätistischer Äußerungen“ verurteilt worden) und wurden seit langem streng von der Gestapo überwacht. Entsprechend hart fiel die Behandlung Kremers aus, der – anders als bei ähnlichen Verfahren der Vergangenheit – nicht von einem Kasseler Sondergericht, sondern vor dem Volksgerichtshof angeklagt wurde. Mehrere Versuche seiner Pallottiner-Brüder, Kremer vor dem Schlimmsten zu bewahren, blieben erfolglos. Man verurteilte ihn am 4. Oktober 1944 „wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“ zum Tode durch das Fallbeil.
(KU)


  1. Die Pallottiner wurden 1846 als eine Gesellschaft apostolischen Lebens der Unione Apostolatus Catholici („Vereinigung des Katholischen Apostolates“) in der römisch-katholischen Kirche ins Leben gerufen. Ihre Mitglieder bilden keinen Orden und kennen keine Gelübde gegenüber Gott, sondern verpflichten sich gegenüber ihrer Gesellschaft zu einem Leben in Armut und selbstlosen Dienst, Ehelosigkeit und Gehorsam, Beharrlichkeit in der Berufung und brüderlicher Gütergemeinschaft. Die ersten Pallottiner kamen 1892 nach Deutschland und bezogen den Walderdorffer Hof in Limburg an der Lahn als Domizil, um von dort die ihnen 1890 übertragene Kamerun-Mission zu leiten. 1896 erwarb die Gemeinschaft ein Grundstück in Limburg und erbauten dort ihr Missionshaus. Zwischen 1925 und 1927 errichteten die Pallottiner am selben Platz die Limburger Marienkirche.
Records
Additional Information
Recommended Citation
„Hinrichtung des Kasseler Pallottiner-Paters Johann Kremer in Brandenburg, 6. November 1944“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/868> (Stand: 28.6.2023)
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