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Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Eröffnung der simultanen Pädagogischen Akademie in Frankfurt, 10. Mai 1927

Erste preußische Pädagogische Akademie ohne konfessionelle Bindung

Mit einem Festakt in der Universitätsaula wird die Pädagogische Akademie in Frankfurt am Main als bislang erste und einzige preußische Pädagogische Akademie ohne konfessionelle Bindung eröffnet. Sie steht in einer Reihe mit einer Anzahl von 14 weiteren Pädagogischen Akademien, die ab 1926 in Preußen gegründet werden oder in Planung stehen und die bisherige seminaristische Volksschullehrerbildung (das heißt die Ausbildung der im Volksschulunterricht eingesetzten Lehrer) ersetzen. Zugangsvoraussetzung für die Pädagogischen Akademie, die ihre Absolventen in einer zweijährigen Ausbildung in den Beruf führen will, und auch Lehramtsanwärtern jüdischen Glaubens offen steht, ist das Abitur.

Vereinheitlichung und Akademisierung der Volksschullehrerbildung

Grundlage für die Errichtung der Pädagogischen Akademien war zuerst die neue, im August 1919 ausgefertigte und verkündete Verfassung des Deutschen reiches (Weimarer Verfassung), die eine Vereinheitlichung der deutschen Lehrerausbildung vorsah. Die rechtlichen Grundlagen für die „Akademisierung“ der Volksschullehrerbildung wurden dann durch einen vom preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker (1876–1933; Deutsche Demokratische Partei) erwirkten Beschluss vom 30. Juni 1925 konkretisiert und die Schaffung eigenständiger Institutionen eingeleitet. Beheimatet ist die sogenannte simultane (das heißt zugleich katholische und evangelische) Pädagogische Akademie in einem ehemaligen Volksschulgebäude in der Textorstraße im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Vorgesehen ist, den Unterricht für die Anwärter mit Vorlesungen und Übungen dort mit Anfang des kommenden Monats Juni zu beginnen. Oberbürgermeister Ludwig Landmann (1868–1945) und Universitätsrektor Professor Wilhelm Gerloff (1880–1954) überbringen die Glückwünsche der Stadt und der Universität.

Kultusminister Becker: konfessionelle Verständigung ist Voraussetzung für politische Verständigung

Die Festrede hält Kultusminister Carl Heinrich Becker. Er betont, dass ein konfessionelles Miteinander die Voraussetzung für ein auch politisches Zusammenwirken der gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland sei. Leider sei aber „Parteihader wie der konfessionelle Gegensatz“ hierzulande so schwer zu überwinden, weil es „urdeutsch ist, alle theoretischen Meinungsverschiedenheiten durch genossenschaftlichen Ausbau nicht nur als ideelle, sondern zugleich als soziologische Mächte einander gegenüberzustellen.“ Was das Land brauche, sei vielmehr ein „stärkeres gegenseitiges Vertrauen, von Partei zu Partei, von Konfession zu Konfession“. Frankfurt stelle dabei ein gutes Vorbild dar, denn hier lebe „[...] wie ich mich überzeugen durfte, der simultane Gedanke“. Aus diesem Grunde zeigt sich Becker überzeugt, dass die neue Akademie sich in der Mainmetropole bald heimisch fühlen werde.1 Die Eröffnung der Frankfurter Pädagogischen Akademie wird durch den Boykott der katholischen Bischöfe überschattet, die den dort eingeschriebenen katholischen Lehramtsanwärtern die Erlaubnis zur Erteilung des Religionsunterrichts („Missio canonica“) verweigern.
(KU)


  1. Zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.6.1967, S. 24.
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„Eröffnung der simultanen Pädagogischen Akademie in Frankfurt, 10. Mai 1927“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/629> (Stand: 26.11.2022)
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