Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian Biography

Hessen-Kassel, Moritz Landgraf von [ID = 5724]

* 25.5.1572 Kassel, † 15.3.1632 Eschwege, Begräbnisort: Kassel Martinskirche, evangelisch
Other Names | Activity | Family Members | References | Life | Citation
Other Names

Other Names:

  • Hessen, Moritz der Gelehrte Landgraf von, der Beiname der Gelehrte ist erst für die Mitte des 18. Jahrhunderts belegt.
Activity

Career:

  • 4.5.1579 Immatrikulation an der Universität Marburg
  • 1592-1627 Regierender Landgraf zu Hessen
  • 17.3.1627 Abdankung
  • Nach dem Tod in Eschwege am 22.3.1627 nach Kassel überführt und dort am 3.5.1632 in der Martinskirche beigesetzt.

Role:

  • Hessen-Kassel, Landgrafschaft, Landgraf, 1592-1627

(Art-) Works:

Family Members

Father:

Hessen-Kassel, Wilhelm IV. Landgraf von, * Kassel 24.6.1532, † Kassel 25.8.1592, Sohn des Philipp Landgraf von Hessen, * Marburg 13.11.1504, † Kassel 31.3.1567

Mother:

Württemberg, Sabina Herzogin von, 1549–1581

Partner(s):

Relatives:

References

Bibliography:

Image Source:

Moritz der Gelehrte. Ein Renaissancefürst in Europa, S. 21. – Gemälde um 1618, Universitätsmuseum Marburg Inv. Nr. 3775.

Life

Als erster Sohn des angesehenen Vaters Wilhelm, den man „den Weisen“ nannte, wurde Moritz bewusst als Thronerbe und Nachfolger erzogen. Die wissenschaftlichen Interessen des Vaters erlebten bei ihm eine nochmalige Steigerung, sodass der Kasseler Hof während seiner Regierungszeit ein Zentrum naturwissenschaftlicher Forschung wurde. Die ausgeprägte Neigung zu den schönen Künsten führte unter anderem zur Gründung einer ansehnlichen Hofkapelle, aus der neben anderen Heinrich Schütz, einer der bedeutendsten deutschen Komponisten der Zeit, hervorging, aber auch zum Ausbau der Kunst- und Wunderkammer. Mit dem nach dem ältesten Sohn benannten Ottoneum entstand 1604–1606 der erste feste Theaterbau in Deutschland überhaupt. Der Bau des Lustschlosses auf dem Weißenstein (der späteren Wilhelmshöhe) und der Lustgarten in der Fuldaaue (später Karlsaue) wurden richtungweisend für den künftigen Generationen vorbehaltenen Ausbau Kassels zur neuzeitlichen Residenzstadt. Die 1598 von Moritz gegründete Hofschule wurde zur Ausbildungsstätte des Adels und der Beamtenschaft, zog aber auch ausländische Schüler nach Kassel. Von 1598 bis 1622 veröffentlichte Wilhelm Wessel, der erste Hofbuchdrucker in Kassel, mehrere hundert Druckschriften: neben den Werken Wilhelm Dilichs meist Schulbücher und vom Landgrafen in Auftrag gegebene gelehrte Abhandlungen für das Collegium Mauritianum. 1623 wurde Moritz Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft. Er beherrschte neun Sprachen, komponierte, dichtete deutsche und lateinische Verse und schrieb theologische und philosophische Abhandlungen. Medizinische und naturwissenschaftliche Forschungen, in den letzten Lebensjahren allerdings fast nur noch im Umfeld der Alchimie, brachten ihm den Beinamen „der Gelehrte“ ein. Die Hochzeit mit Agnes von Solms-Laubach im Jahre 1593 und die Taufen ihrer Kinder, insbesondere von Elisabeth, für die noch einmal Königin Elisabeth I. von England als Patin gewonnen werden konnte, boten Anlass für aufwendige höfische Feste, die Wilhelm Scheffer gen. Dilich, in seinen Werken dokumentierte. Aus der ersten Ehe gingen neben einem totgeborenen Prinzen vier Kinder hervor: Otto (1594–1617), Elisabeth (1596–1625), Moritz (1600–1612) und der Nachfolger Wilhelm V. (1602–1637).

Belastete bereits das engagierte Mäzenatentum die landgräfliche Schatulle, so führte die nicht minder ambitionierte Außen- und Militärpolitik zu erheblichen finanziellen Engpässen. Anfangs folgte Moritz noch dem ausgleichenden Kurs seines Vaters. Angesichts der Bedrohung des Reichsgebiets durch die Hugenottenkriege und den niederländischen Unabhängigkeitskampf schwenkte er jedoch ab Mitte der 1590er Jahre auf einen Aktionskurs ein, der 1598 in das militärische Desaster vor dem spanisch besetzten Rees am Niederrhein führte und die Landgrafschaft mit einem Schuldenberg zurückließ. Aus dieser Erfahrung trieb Moritz nach nassau-oranischen Vorbildern ab 1600 ein Defensionswerk voran, das ihm eine starke Armee ohne teure Söldnertruppen verschaffen sollte. Die territoriale Arrondierungspolitik war erfolgreich in der Reichsabtei Hersfeld, für die 1606 sein Sohn Otto als Administrator eingesetzt wurde; sie sollte 1648 endgültig an Hessen-Kassel fallen. Gescheitert sind indes 1615/21 die Ambitionen auf die Grafschaft Waldeck.

Weitreichende Folgen hatte der 1605 offen vollzogene Übertritt des Landgrafen zum Calvinismus, der auch als Reaktion auf den Streit mit seinem Darmstädter Vetter um das Erbe des 1604 kinderlos verstorbenen Ludwig IV. von Hessen-Marburg gesehen werden kann. Ein weiterer Grund für diesen Schritt dürfte die mit insgesamt 14 Kindern – darunter die Landgrafen Hermann, Friedrich, Christian und Ernst – reich gesegnete Zweitehe mit Juliane aus der dezidiert reformierten Nassau-Siegener Grafenfamilie gewesen sein. Der Bildersturm und die Konflikte mit den lutherischen Theologen und Professoren in Marburg führten dazu, dass Hessen-Kassel ab 1605 als Protagonist der calvinistischen Aktionspartei im Reich angesehen wurde. Moritz hielt sich zwar der unter kurpfälzischer Führung 1608 gegründeten Union zunächst noch fern. Als aber Kurbrandenburg 1610 dem protestantischen Militärbündnis beitrat, vollzog auch er diesen Schritt. Politische Erfolge bzw. Signale waren die Vermittlung des Dortmunder Vergleichs im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit 1609 und die Teilnahme hessischer Theologen an der Synode von Dordrecht 1618. Weitgespannte außenpolitische Beziehungen nach Schweden, England, Frankreich und in die Niederlande führten jedoch nicht zu substantiellen Bündnissen.

Das Eintauchen in das europäische Mächtespiel verschärfte das ohnehin angespannte Verhältnis zur hessischen Ritterschaft sowie mit den alten Räten, die Moritz in dem 1605 eingerichteten Geheimen Rat zunehmend durch Landfremde ersetzte. Sein Festhalten an der pfälzisch-böhmischen Sache nach dem Desaster am Weißen Berg 1620 und die Einquartierung von Liga-Truppen nach dem für Kassel ungünstigen Reichshofratsurteil im Marburger Erbschaftsstreit spitzten die Situation ab 1623 weiter zu. Als die Landstände hinter dem Rücken des Landgrafen mit dem Liga-Feldherrn Tilly verhandelten, während Moritz an den norddeutschen Fürstenhöfen erfolglos um Unterstützung warb, kam es zum endgültigen Bruch. Auf Drängen der Stände und Räte, aber auch Landgräfin Julianes, dankte Moritz schließlich am 17. März 1627 verbittert ab. Die Hinrichtung seines Günstlings und engsten Vertrauten, des bei der Ritterschaft wie bei Sohn Wilhelm verhassten Dr. Wolfgang Günther, im Jahr darauf konnte er nicht verhindern. Die letzten Lebensjahre verbrachte er zunächst in Frankfurt am Main, auf rastlosen Reisen und ab 1630 vor allem in Eschwege. Erst auf dem Sterbebett söhnte er sich mit seiner Familie aus, mit der er in seinen letzten Jahren wegen Geld, Hausrat, Kindererziehung und seinen Einmischungsversuchen im Dauerkonflikt gelegen hatte.

Holger Th. Gräf

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 83-86)

Nur wenig bekannt ist, dass sich zahlreiche Zeichnungen von seiner Hand erhalten haben. Sie gehören zu einer Sammlung von architektonischen Zeichnungen, die 1786 von der Kriegs- und Domänenkammer in die landgräfliche Bibliothek in Kassel eingeliefert wurden und noch heute in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Kassel aufbewahrt werden.

Ulrike Hanschke

Citation
„Hessen-Kassel, Moritz Landgraf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/11858412X> (Stand: 28.11.2023)