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Hessian Biography

Portrait

Charlotte Gräfin von Bentheim-Tecklenburg
(1653–1708)

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Bentheim-Tecklenburg, Charlotte Gräfin von [ID = 13615]

* 3.9.1653 Eschwege, † 7.2.1708 Bremen, Begräbnisort: Eschwege
Biographical Text

Die zwei Jahre vor dem Tod des Vaters geborene Charlotte verlebte ihre Kinder- und Jugendjahre zunächst gemeinsam mit ihren älteren Schwestern Christina und Juliana unter der Obhut der Mutter auf deren Witwensitz Osterholz bei Bremen. 1673 heiratete sie in Halle in das streng lutherische Haus Sachsen-Weißenfels ein. Das einzige gemeinsame Kind von August und Charlotte hat die mutmaßliche Frühgeburt am 24. April 1674 nicht überlebt. Im Sommer starb auch der erst 23-jährige Ehemann. Charlottes zweite Ehe stand ebenfalls unter keinem guten Stern. Als Graf Johann Adolf aus dem seit der Reformation eng mit Hessen verbundenen Haus Bentheim-Tecklenburg um die Hand der jungen Witwe anhielt, empörte sich deren Verwandtschaft in Kassel. Der Bräutigam hatte sich nämlich in einem spektakulären, nicht unangefochtenen Scheidungsprozess seiner ersten Frau Johanna Dorothea, die des mehrfachen Ehebruchs bezichtigt wurde, entledigt. Diese kehrte zunächst zu ihrer Familie zurück, wurde aber 1690 im Auftrag ihres Bruders verschleppt und bis zu ihrem Tod in einem Irrenhaus in Amsterdam eingesperrt. Sie war eine Tochter der Landgräfin Sophie von Hessen-Kassel, also Charlottes Cousine. Nachdem Charlottes Schwiegervater Herzog August zumindest ihre Mutter von der Rechtmäßigkeit der Scheidung hatte überzeugen können, fand in Halle die Trauung statt. Die Einladung zur Patenschaft beim ersten Kind ließen Landgraf Karl und seine Schwester Charlotte Amalie von Dänemark allerdings unbeantwortet, um die Ehe nicht damit im Nachhinein zu legitimieren. Im Laufe der Jahre kamen zwar noch sieben weitere Kinder zu Welt, starben jedoch zumeist bei der Geburt bzw. als Kleinkinder. Neben der Unverträglichkeit der Charaktere ließ auch der konfessionelle Gegensatz zwischen dem reformierten Gatten und der lutherischen Charlotte die Ehe zunehmend zum Dauerkonflikt werden. Charlotte zog sich zunächst auf das Gut Habichtswald ca. fünf Kilometer nordöstlich von Tecklenburg, nach dem Tod ihrer Mutter dann in deren Witwensitz in Bremen zurück. Selbst der Tod des einzigen überlebenden Sohnes Johann August (1680–1701) konnte die Ehepartner nicht mehr zusammenführen. Charlottes letzte Lebensjahre waren von Streitigkeiten zunächst mit dem Gatten, nach dessen Tod mit dem Schwager um ihre Versorgung bestimmt. Auch Landgraf Karl verweigerte ihr jede finanzielle Unterstützung. Den traurigen Höhepunkt erreichten diese familiären Konflikte, als die als schwierig geltende Tochter Sophie 1705 die mumifizierte Leiche ihres 1701 verstorbenen Bruders raubte und von Tecklenburg in die neue Familiengruft nach Rheda bringen wollte.

Holger Th. Gräf

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 109 f.)


Bibliography