Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian Biography

Portrait

Alice Maud Mary Großherzogin von Hessen und bei Rhein
(1843–1878)

Symbol: Switch display mode Symbol: Switch display mode Symbol: Print Preview

Hessen und bei Rhein, Alice Maud Mary Großherzogin von [ID = 1318]

* 25.4.1843 London Buckingham Palace, † 14.12.1878 Darmstadt, Begräbnisort: Darmstadt Neues Mausoleum auf der Rosenhöhe, anglikanisch
Großherzogin, Mäzenatin
Biographical Text

Die Tochter der noch jungen Ehe der britischen Queen Victoria mit ihrem Coburger Vetter Albert wuchs in enger Gemeinschaft mit den beiden älteren Geschwistern, der Princess Royal Victoria und dem schwierigen Thronerben Bertie auf, die lebenslänglich fortbestand. Früh ausgeprägt war auch das soziale Engagement, gefördert vom Vater, dem sie nach der Hochzeit der Schwester Vicky mit Kronprinz Fritz von Preußen 1858 nächste Vertraute war, bis zur Pflege während der tödlichen Typhus-Erkrankung Ende 1861. Schon im Vorjahr hatte eine von der Schwester in Berlin arrangierte Einladung des Darmstädter Thronerben Louis und seines Bruders Heinrich zum Ascot-Pferderennen beim Gegenbesuch der Prinzessin und ihrer Eltern in Darmstadt zur allseits begrüßten Verlobung geführt. Im Juli 1862 folgte dann – verzögert durch den Tod von Großmutter und Brautvater – die Trauung in der Sommerresidenz Osborne.

Die Begeisterung beim Einzug des jungen Paars in Darmstadt im Juli 1862 wurde kaum beeinträchtigt durch die auch hier herrschende „Hoftrauer“ um die sechs Wochen zuvor verstorbene Großherzogin Mathilde, mit deren Tod Alice die Rolle der „First Lady“ neben dem verwitweten Onkel zufiel. Wertvoll für das Eingewöhnen in der neuen Umgebung waren der zum Privatsekretär der Prinzessin bestellte Dr. Ernst Becker (1826–1888), vorher langjähriger Mitarbeiter Prinz Alberts in London, vor allem aber der mit seiner Familie nach Darmstadt zurückgekehrte, welterfahrene Prinz Alexander. Der Titel der Biographie von G. Noel „Queen Victoria’s forgotten daughter“ trifft zumindest für den in Darmstadt noch heute fortwirkenden sozialen Einsatz der Prinzessin nicht zu. Erste Aktivitäten galten der Verbesserung der Wochenpflege mit zum Teil Anstoß erregenden persönlichen Hausbesuchen der Prinzessin und der gemeinsam mit Dr. Becker erwirkten Gründung des „Bauvereins für Arbeiterwohnungen“ nach dem Vorbild der Londoner „Prince Consort Association“. Der ab April 1866 im „Neuen Palais“ des Erbprinzenpaars organisierte „Alice Basar“ diente vorab der Finanzierung des 1869 eröffneten „Alice-Stifts“ für behinderte Kinder und Jugendliche. Träger wurde der mit Unterstützung Florence Nightingale’s begründete, landesweite „Alice-Frauenverein für Krankenpflege“. Dieser sollte nach der Bewährung in der Lazarett-Arbeit des Krieges 1870/71 mit Übernahme des Darmstädter „Mauer-Spitälchens“ ein eigenes Krankenhaus mit nicht kirchlich gebundener Schwesternausbildung einrichten, aus dem sich später das bis heute bestehende „Alice-Hospital“ entwickelte. Parallel dazu wurde in Zusammenarbeit mit Luise Büchner (1821–1877), der Schwester des Dichters Georg Büchner, der „Alice Verein für Frauenbildung und Erwerb“ gegründet, dessen schulische Einrichtungen in der heutigen „Alice-Eleonoren-Schule“ weiter leben. 1872 organisierte Alice gemeinsam mit Schwester Vicky in Berlin, eine erste Generalversammlung der deutschen Frauenvereine in der Darmstädter Moller-Loge, an der mit Florence Hill auch eine Reihe von Alice geladener englischer Fachfrauen teilnahmen.

In der Familie, die mit der Geburt von Prinzessin Alix im Juni 1872 vier Töchter und zwei Söhne zählte, wirkte der Unfalltod des erst zweieinhalbjährigen Fritty (Fritz), der an der später als mal de Hesse bezeichneten Bluterkrankheit litt, als traumatischer Schock, gegen dessen depressive Nachwirkungen auch die Gespräche der Prinzessin-Mutter mit dem Theologen und Philosophen David Friedrich Strauß (1808–1874) nur bedingt halfen. Für eine Erweiterung des Wirkungskreises mit dem Tod des stets wohlwollenden Onkel Louis im Sommer 1877, der den Ehemann zum regierenden Großherzog machte, blieb wenig Zeit. Einer Diphterie-Epidemie im Folgejahr fiel zunächst die jüngste Tochter Marie/May (1874–1878), dann die von der aufopfernden Pflege von Mann und Kindern erschöpfte, erst 35-jährige Großherzogin zum Opfer. Die von der auch im musikalisch-künstlerischen Bereich engagierten Alice geplante Darmstädter Künstlerkolonie konnte erst Sohn Ernst Ludwig verwirklichen, der seiner Mutter 1902 die von Bildhauer Ludwig Habich und Architekt Adolf Zeller entworfene Obelisken-Denksäule errichten ließ.

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 357 f.)


Bibliography