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Georg-Büchner-Preis an Volker Braun, 20. Oktober 2000

Volker Braun (geb. 1939) erhält auf der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt den mit 60.000 DM dotierten Georg-Büchner-Preis.

Anlässlich seiner Auszeichnung veröffentlicht das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine ausführliche Charakteristik des Schriftstellers: „Volker Braun, kurz vor Kriegsbeginn in Dresden geboren, ist ein Handwerker der Schriftstellerei, einer, der alle Stadien der Dichterschule durchlaufen hat und alle Genres beherrscht, die Lyrik, mit der er in den sechziger Jahren begann, ebenso wie das Drama, in dem er zum widerwillig geehrten Nationalpreisträger der DDR wurde, die Erzählung oder den Essay. Vor allem aber ist er ein Dichter des historischen Bewusstseins, einer, der im Wissen um die literarische Tradition schreibt. [...] Volker Braun ist einer der wenigen Autoren aus dem sozialistischen Deutschland, der die Wende nicht nur überstanden hat, sondern daran gewachsen ist – nicht nach den Maßstäben des publizistischen Erfolgs vielleicht, aber gewiss als Schriftsteller. Seine Wendegeschichte hat er in ‚Die vier Werkzeugmacher‘ geschrieben, einer auf altmeisterliche Art verfassten Novelle, die davon handelt, wie einem die Wirklichkeit abhanden kommt. Aber auch davon, wie die Geschichte Scherze macht. Es ist das untergründig komische Werk des kleinen Mannes als großer Autor.“1

Braun wurde 1939 in Dresden geboren, wo er in einer Druckerei, als Tiefbauarbeiter im Kombinat Schwarze Pumpe und im Tagebau Burghammer arbeitete. Nach seinem anschließenden Philosophiestudium in Leipzig wurde er Dramaturg am Berliner Ensemble, 1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR.2 Als Schriftsteller in der DDR erlangte Volker Braun große Bekanntheit, seine Bücher waren oft kurz nach Erscheinen bereits ausverkauft. Allerdings konnten viele seiner Theaterstücke, Prosawerke und Gedichte gar nicht erst veröffentlicht werden, da die SED-Regierung sich durch die Texte provoziert fühlte und diese verbot.3 Gerade diese „Grundkonflikt seiner Epoche, die Spannung von Freiheit und Gleichheit, eigensinnig formuliert und scharfsinnig durchdacht“,4 thematisiert Braun, der sich trotz der Repressionserfahrungen in der DDR uns der Überwachung seiner Person durch die Stasi als Kommunist bezeichnet, in seinen Werken.5

Anlässlich der Preisverleihung hält der Historiker und Literaturkritiker Gustav Seibt eine Lobrede auf Volker Braun, in der er dessen sprachlichen Ausdruck als „eine der großen Möglichkeiten der Kunst in unserer Epoche“ bezeichnet: „Seine Sprache ist radikal und süß, sinnlich und verstiegen. Vor allem aber ist sie ganz Sprache, neue und liebevoll bewahrte Sprache, herb, genau, geistreich, melancholisch, rhythmisch und melodisch.6

Der Georg-Büchner-Preis, ursprünglich ein Stiftungspreis der hessischen Landesregierung und der Stadt Darmstadt, wird seit 1953 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an „Schrift­stellerinnen und Schrift­steller, die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervor­treten und die an der Gestaltung des gegen­wärtigen deutschen Kultur­lebens wesentlichen Anteil haben“, verliehen. Die Preisverleihung findet traditionell während der Herbsttagung der Akademie in Darmstadt statt.7
(NT)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.4.2000, Nr. 78, S. 41: Da bin ich noch.
  2. Suhrkamp/Insel Verlag: Autoren: Volker Braun.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2000, Nr. 249, S. 58: Dieser Dichter diente als Stützpunkt des Gegners.
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2000, Nr. 252, S. 1: Georg-Büchner-Preis an Volker Braun verliehen.
  5. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.10.2000, Nr. 43, S. 29: Volker Braun erhielt gestern in Darmstadt den Büchner-Preis.
  6. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Auszeichnungen: Georg-Büchner Preis: Volker Braun: Laudatio.
  7. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Auszeichnungen: Georg-Büchner Preis.
Records
Additional Information
Recommended Citation
„Georg-Büchner-Preis an Volker Braun, 20. Oktober 2000“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/5577> (Stand: 9.12.2022)
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