Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Verleihung des Hessischen Kulturpreises an Hans-Albert Walter, Friedrich Karl Waechter und Heiner Goebbels, 19. September 1993

Der Kulturpreis der Hessischen Landesregierung wird am 19. September im Theater am Turm in Frankfurt am Main verliehen. Geehrt wird in der Kategorie Wissenschaft Prof. Dr. phil. h.c. Hans-Albert Walter (1935–2016), Literaturwissenschaftler mit dem Forschungsschwerpunkt Exilliteratur. Walter erforscht die Lebensbedingungen deutscher Schriftsteller*innen im Exil während des Nationalsozialismus und ist der Verfasser des mehrbändigen Werkes „Deutsche Exilliteratur 1933–1950“. Für seinen bedeutenden Beitrag im Forschungsgebiet der Exilliteratur erhält er den mit 30.000 DM dotierten Stiftungspreis des Landes Hessen.¹

Zudem werden zwei weitere Kulturpreise verliehen: Der Karikaturist und Zeichner F. K. Waechter (1937–2005), Mitbegründer der „Neuen Frankfurter Schule“² und bekannt für seine gesellschaftskritischen Cartoons in der Satirezeitschrift „Titanic“³ erhält den Preis der Sparte „Kunst“.⁴

Für seinen Beitrag zu Kulturvermittlung im Land Hessen wird außerdem der Komponist, Musiker und Hörspielautor Heiner Goebbels (geb. 1952) mit dem Kulturpreis geehrt. Goebbels war Mitglied des „Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters“⁵ in Frankfurt und Teil der experimentellen Rockgruppe „Cassiber“.⁶ Seit Mitte der 1980er Jahre inszeniert und komponiert Goebbels für Theater, Film und Radio und arbeitet unter Anderem mit dem in Frankfurt ansässigen und aus internationalen Musikern bestehenden „Ensemble Modern“ zusammen. Die Frankfurter Zeitung bezeichnet ihn als „Wegbereiter musikalischer Grenzgänge“⁷, der für sein umfassendes Schaffen in der hessischen Kulturszene ausgezeichnet wird.

Der Hessische Kulturpreis besteht seit 1982 und wird seitdem jährlich an herausragende Persönlichkeiten aus den Bereichen der Bildenden Künste, der Musik, des Films und der Wissenschaft durch den Hessischen Ministerpräsidenten vergeben. In diesem Jahr thematisiert Ministerpräsident Hans Eichel (geb. 1941; SPD) anlässlich seiner Festrede die wirtschaftlich schwierigen Zeiten und erklärt laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung: „Trotz unabweisbarer Einschränkungen bleibe die Förderung von Wissenschaft und Kultur ein Schwerpunkt der Landespolitik. Kultur sei ‚Mischung und Austausch‘, sie trage auch dazu bei, Ängste vor Fremdem und Neuem zu überwinden.“⁸
(NT)

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1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.9.1993, S. 48: Kenner der Emigration. Hessischer Kulturpreis für Hans-Albert Walter aus Hofheim. ↑
2. Die „Neue Frankfurter Schule“ ist eine Gruppierung aus in Frankfurt ansässigen Schriftstellern, Zeichnern und Satirikern, aus der die Zeitschrift „Titanic“ als Publikationsorgan hervorging. Ihr Name ist eine Anspielung auf die als „Frankfurter Schule“ bezeichnete philosophische Strömung um Horkheimer und Adorno. ↑
3. Das Titanic Magazin ist die zweitgrößte Satirezeitschrift Deutschlands und hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. ↑
4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.7.1993, S. 48: Hessischer Kulturpreis an Waechter, Goebbels, Walter. ↑
5. Das „Sogenannte Linksradikale Blasorchester“ war eine 1976 gegründete Blaskapelle, die vor allem moderne Rockmusik auf freie und undogmatische Weise inszenierte. Politisch positionierte sich das Blasorchester der Frankfurter Spontiszene zugehörig, 1981 löste sich die Gruppierung auf. ↑
6. „Cassiber“ war der Name einer avantgardistischen Rockband die 1982 bis 1992 bestand und sich zum Großteil aus Mitgliedern des „Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters“ zusammensetzte. ↑
7. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.7.1993, S. 48: Hessischer Kulturpreis an Waechter, Goebbels, Walter. ↑
8. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.9.1993, S. 42: Hessischer Kulturpreis 1993 mit Prometheus-Musik. ↑