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Toter bei Anti-NPD-Demonstration in Frankfurt, 28. September 1985

Bei einer Demonstration gegen die rechtsextreme NPD in Frankfurt am Main wird der Demonstrant Günter Sare von einem Wasserwerfer der Polizei überfahren und tödlich verletzt. Sein Tod führt in mehreren Städten, darunter auch in Frankfurt selbst, zu gewalttätigen Ausschreitungen.

Auslöser ist eine Veranstaltung der NPD im Bürgerhaus Gallus, die von einem friedlichen Gegenprotest gestört werden soll. Im Rahmen eines politisches Straßenfestes im Hof einer an das Bürgerhaus grenzenden Schule und einer anschließenden Protestdemonstration, an der etwa 700 Personen teilnehmen, kommt es zu Krawallen durch etwa 400 Personen. Die Polizei geht mir Schlagstöcken und Wasserwerfern dagegen vor. Der Demonstrant Günter Sare, vermutlich zuvor von einem Wasserstrahl getroffen und zu Boden gestürzt, wird dabei von einem vorfahrenden Wasserwerfer überrollt.

Als Reaktion auf den durch das Einschreiten der Polizei verursachten Todesfall kommt es nur zwei Stunden später zu einem Brandanschlag auf eine nahe gelegene Niederlassung der Firma Daimler-Benz, bei dem Schaden in Höhe von etwa zwei Millionen DM entsteht. Am darauffolgenden Tag findet ein etwa tausendköpfigen Protestmarsch durch die Frankfurter Innenstadt statt, bei dem Schaufensterscheiben zu Bruch gehen. Die Polizei rückt mit mehreren Hundertschaften an und ist bis in die Abendstunden damit beschäftigt, die Gruppe der teils vermummten Demonstrant*innen aufzulösen.1

Der zu Tode gekommene Günter Sare war Maschinenschlosser und Mitarbeiter eines linken Jugendzentrums in Frankfurt-Bockenheim. Als Vorstandsmitglied des linken Jugendzentrums (JuZ) Bockenheim war er seit Beginn der 1970er Jahre im linken und antifaschistischen Zusammenhängen aktiv. An der Demonstration gegen die NPD Veranstaltung nahm er teil, um seinen Unmut über die Versammlung der Rechtsextremen Partei ausgerechnet im Stadtteil Gallus Ausdruck zu verleihen. Gallus hat als Ausrichtungsort der Frankfurter Auschwitz-Prozesse eine besondere historische Bedeutung, die NPD-Versammlung dort wird deshalb als deutliche Provokation gewertet.

Obwohl das Landeskriminalamt zu den Umständen des Todes Sares ermittelt und den verantwortlichen Polizeieinsatzkräften auf der Demonstration schwere Vorwürfe gemacht werden, kann der tatsächliche Hergang nie ganz aufgeklärt werden. Die Besatzung des Wasserwerfers kommt wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung vor Gericht, wird jedoch nach einem fünf Jahre andauernden Prozess im Jahr 1990 freigesprochen.2 Um an Günter Sare und die mangelnde Aufklärung seiner Todesumstände zu erinnern, errichtet das Portal „frankfurter info“, ein „überparteilicher Informationsdienst für linke Stadtpolitik in Frankfurt am Main“ 25 Jahre später, am 28. September 2010, eine Gedenktafel an der Frankenallee, Ecke Hufnagelstraße, der Stelle, an der Sare ums Leben kam.3
(OV/NT)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.9.1985, S. 1: Ein Toter bei Krawallen in Frankfurt.
  2. Zeit Online: Der Tod unter dem Wasserwerfer.
  3. frankfurter-info.org: Neue Gedenktafel zur Erinnerung an Günter Sare und seine Tötung vor 25 Jahren.
Records
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Recommended Citation
„Toter bei Anti-NPD-Demonstration in Frankfurt, 28. September 1985“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1510> (Stand: 28.9.2022)
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