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Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Holger Börner wieder zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt, 7. Juni 1984

Der Hessische Landtag in Wiesbaden wählt den seit September 1982 an der Spitze einer geschäftsführend amtierenden sozialdemokratischen Minderheitsregierung stehenden Holger Börner (1931–2006) mit den Stimmen von SPD und Grünen zum Ministerpräsidenten und beendet damit das 18-monatige Interim. Börner, der bereits seit 1976 das Amt des hessischen Ministerpräsidenten bekleidet, erhält 57 der 110 Abgeordneten-Stimmen und damit lediglich eine Stimme mehr als erforderlich. Bei insgesamt 58 Mandaten, von denen 51 auf die SPD und sieben auf die ebenfalls für Börner votierenden GRÜNEN entfallen, bleibt dem neuen/alten Ministerpräsident jedoch eine Stimme aus den eigenen Reihen vorenthalten: eine einzelne ungültige Stimmabgabe steht neben 52 Gegenstimmen, die sich rechnerisch mit der Zahl der auf CDU (44) und FDP (acht) entfallenden Mandate deckt.

In seiner Dankesrede äußert Börner, er „habe […] Verständnis“ dafür, dass ihm ein Abgeordneter die Stimme versagt habe. Im September des vorangegangenen Jahres hatte Börner verlauten lassen, man werde „es nicht erleben, daß ich mich mit der Stimme von Grünen zum Ministerpräsidenten wiederwählen lasse“.

Zuvor hatte sich die Auszählung der Stimmen im Landtag verzögert, weil zwei Stimmzettel durch mit einem roten und einem grünen Stift aufgetragene Stimm-Kreuze versehen waren. Die Zählkommission zeigte sich daraufhin uneins, ob diese beiden Stimmzettel als korrekt abgegebene Ja-Stimmen zu werten seien, da alle anderen Stimmzettel mit einem in der Stimmkabine bereitgelegten blauen Stift angekreuzt worden waren. CDU-Abgeordnete äußerten die Vermutung, dass mit der farblichen Differenzierung zwei der rot-grünen Zusammenarbeit kritisch gegenüber stehende SPD-Abgeordnete für den Fall eines Scheiterns der Wiederwahl Börners einen Beweis ihres solidarischen Verhaltens schaffen wollten (oder zu einer solchen symbolischen Handlung von ihrer Fraktion angehalten wurden).

Die Unionspolitiker sahen durch diese Auffälligkeit die Vertraulichkeit des Wahlvorgangs berührt. Nach einer von der CDU beantragten Sitzungsunterbrechung und einer kurzen Fraktionssitzung der Christdemokraten verkündete deren Fraktionssprecher, Börner habe „nur 55 korrekt abgegebene Jastimmen“ erhalten. Damit wäre seine Wahl zum hessischen Ministerpräsidenten gescheitert. Nach Ansicht der SPD-Fraktion könne aber kein Abgeordneter daran gehindert werden, sein eigenes Schreibgerät zum Markieren seines Stimmzettels zu benutzen, weiche Farbe dieser auch immer habe.1
(KU)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.6.1984, S. 1.
Records
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„Holger Börner wieder zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt, 7. Juni 1984“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1487> (Stand: 26.11.2022)
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