Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Hessische Standorte Zentrum des Streiks der Postbediensteten, 19. - 24. November 1980

Im Zuge eines bundesweiten Streiks legen auch in Hessen Mitarbeiter*innen der Deutschen Post ihre Arbeit nieder. In einer Urabstimmung haben sich zuvor mehr als 92 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen und Angestellten der Post für einen Streik ausgesprochen. Gefordert wird ein besserer Freizeitausgleich für Arbeit, die Nachts und an Sonn- und Feiertagen geleistet wird. In diesen Zeträumen geleistete Arbeit soll pro Stunde die anderthalbfache Anrechnung bekommen.1

Die Mitarbeiter*innen der Postämter in Kassel beginnen bereits in der Nacht vom 18. auf den 19. November zu streiken, die Postzentrale in Frankfurt am Main schließt sich am Abend des 19. November an. Das bestreikte Postamt 4 in Frankfurt ist die größte Paketverteilanlage in der Bundesrepublik, beschäftigt sind dort 2500 Mitarbeiter, von denen 200 Arbeiter*innen der Nachtschicht die Arbeit niederlegen. Ein Sprecher der Streikleitung verkündet, dass auch die Frühschicht ihren Dienst nicht antreten wird. Tarifverhandlungen sollen am kommenden Freitag in Bonn stattfinden.2

Im Laufe des Donnerstags, 20. November verschärfen sich die Streiks jedoch, mittlerweile wird in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Wuppertal, Dortmund, Hagen, Frankfurt, Kassel, Bielefeld, München, Stuttgart, Offenbach und Offenburg gestreikt. Die Anweisung des Bundespostministers an die Oberpostdirektionen, Beamte an Stelle der Streikenden einzusetzen, stößt bei den Streikenden auf große Empörung. „Der Streik habe dadurch eine neue Qualität erhalten, sagte ein Sprecher der Postgewerkschaft. Die Verhandlungen mit dem Ministerium über die Einrichtung von Notdiensten, die von Streikmaßnahmen ausgenommen werden sollten, habe das Ministerium scheitern lassen. Dafür wolle man Beamte einsetzen, soll das Ministerium erklärt haben“, berichtet die F.A.Z.3 Indes solidarisieren sich andere Gewerkschaften mit der Postgewerkschaft, so die Gewerkschaft der Eisenbahner, die Polizisten in Hamburg und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen.4

Nachdem die für den 21. November angesetzten Verhandlungen um Tarife und Schichtdienstarbeit scheitern, führen die Postmitarbeiter*innen ihren Streik fort. Insbesondere in Postamt 4 in Frankfurt beginnen sich Post und Paketsendungen zu stapeln, Waggons voller Sendungen stauen sich auf den Gleisen des Postbahnhofs, Briefkästen werden seit Beginn des Streiks nicht mehr geleert.5

Auch nach erneuten Tarifverhandlungen am Wochenende, bei denen sich die Deutschen Postgewerkschaft mit dem Bundespostminister einigen konnte, dauern die Streiks in den Postämtern in Frankfurt bis einschließlich des 24. Novembers an. Zwar wird künftig die gesamten Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr als Nachtschicht anerkannt, was für eine große Zahl von Mitarbeiter*innen die tarifliche Situation verbessert, insgesamt stößt der ausgehandelte Kompromiss jedoch nur auf wenig Begeisterung.6 Am 25. November wird auch in Frankfurt wieder die Arbeit aufgenommen. Die Post rechnet mit einem Verzug von etwa 4 bis 5 Tagen, um den Rückstau der sich in den vergangenen Tagen angesammelten Sendungen vor allem in der Verteilerstelle Postamt 4 bewältigen zu können. Unterstützung bekommen die Postämter dabei von Verwaltungsbeamten auf freiwilliger Basis.7

Am folgenden Mittwoch und Donnerstag sind die rund 130 000 gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer*innen der Bundespost zur Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis aufgerufen. Die Postgewerkschaft rechnet mit Zustimmung, obwohl auch vielfach Kritik an den jetzt erreichten Verbesserungen für Schichtdienstleistende geäußert wird. Zur Fortsetzung des Streiks wären wieder 75 Prozent der Stimmen notwendig, eine Zustimmung bedarf laut Satzung 25 Prozent der Stimmen.8 Mit 51,28 Prozent wird schließlich die Vereinbarung über einen Schichtausgleich bei der Deutschen Bundespost am 1. Dezember von der Mitgliedern der Postgewerkschaft gebilligt.9
(NT)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.1980, S. 33: Poststreik beginnt bei der Paketverteilung.
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.1980, S. 1: Verhandlungsangebot und erste Streiks bei der Post.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.1980, S. 1: Die Streiks bei der Post weiten sich aus.
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.1980, S. 1: Die Streiks bei der Post weiten sich aus.
  5. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.1980, S. 37: Päckchen und Pakete stapeln sich zur Million.
  6. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.1980, S. 29: Paketberg und Briefflut am Ende des Streiks.
  7. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.1980, S. 32: Seit gestern geht die Post wieder ab.
  8. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.1980, S. 32: Seit gestern geht die Post wieder ab.
  9. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.12.1980, S. 1: 51 Prozent für den Postkompromiß.
Records
Additional Information
Recommended Citation
„Hessische Standorte Zentrum des Streiks der Postbediensteten, 19. - 24. November 1980“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1438> (Stand: 26.11.2022)
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