Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Bürgerversammlung zur Sanierung des Gründerzeitviertels in Wiesbaden, 31. März 1979

Im Wiesbadener Stadtteil Westend findet eine Bürgerversammlung zur Zukunft dieses citynahen Wohngebiets statt. Das Westend ist einer der dichtbesiedeltsten Stadtteile der Landeshauptstadt. Der Magistrat stellt deshalb ein Flächennutzungskonzept vor, das das Wohnen in diesem Stadtteil gegen den Spekulationsdruck schützen soll. Aus vielen Straßen soll der Durchgangsverkehr verbannt werden und neuen Wohnhöfen weichen.

Stadtentwicklungsdezernent Jörg Jordan (geb. 1939; SPD) zeigt sich optimistisch. Er glaubt an die Rettung des architektonisch interessanten Viertels mit seinen noch preiswerten Wohnungen, die zwischen 1881 und 1910 gebaut wurden. Um die Bürger*innen intensiv an der Planung zu beteiligen, ist ein Stadtentwicklungsbüro als Beratungs- und Kontaktstelle eingerichtet worden. In Stadtsanierung und Denkmalschutz geht Wiesbaden mit seinem reichen Bestand an Villenvierteln aus der Gründerzeit und der Wilheminischen Ära des 19. Jahrhunderts neue Wege. 1978 wurde die Stadt sowohl Landes- als auch Bundessieger im Wettbewerb „Stadtgestaltung und Denkmalschutz“. Aus diesem Anlass hat Jordan eine Dokumentation der „Stadterhaltungspolitik“ herausgegeben, die Wiesbaden als ein „hervorragendes Stadtdenkmal des 19. Jahrhunderts“ würdigt. Der Denkmalschutz müsse dieses Stadtdenkmal erhalten, wobei es „unabdingbar“ für Charakter und Flair der Stadt sei, die Villenbebauung zu bewahren.

Das ehemalige Weltbad Wiesbaden war im Zweiten Weltkrieg weit weniger als andere hessische Städte zerstört worden. Planungen des Frankfurter Architekten Ernst May (1886–1970) aus dem Jahre 1961 sahen jedoch den kompletten Abriss des gesamten östlichen Villenviertels vor. Der Städteplaner wollte nach dem Abriss zehn- bis zwanziggeschossige Bürohäuser errichten. Die Technische Hochschulen Zürich stellte in diesem Zusammenhang einen Verkehrsplan für ein „autogerechtes“ Wiesbaden vor. Erst 1971 wurden diese Pläne endgültig zu den Akten gelegt, nachdem zahlreiche Bürgerinitiativen protestiert hatten.
(OV)