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Goethepreis der Stadt Frankfurt für Carlo Schmid, 28. August 1967

Der SPD-Politiker und Staatsrechtler Carlo Schmid1 (1896–1979) erhält als erster aktiver Politiker der Bundesrepublik den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main. Schmid, der seit 1966 das Amt des Bundesratsministers bekleidet und 1959 zusammen mit dem FDP-Kandidaten Max Becker (1888–1960) gegen Heinrich Lübke (1894–1972) um das Bundespräsidentenamt kandidierte, zählt zu den Vätern des Grundgesetzes und des Godesberger Parteiprogramms der SPD.

Die Entscheidung der Jury zur Verleihung des mit 50.000 DM dotierten Goethepreises an den gebürtig aus Perpignan (Hauptstadt des südfranzösischen Départements Pyrénées-Orientales) stammenden Staatsrechtwissenschaftlers Schmid, der von 1949 bis 1966 auch das Amt des Bundestagsvizepräsidenten innehatte, war schon am 5. Mai 1967 gefallen. Bei der Verleihung in der Frankfurter Paulskirche empfängt Schmid den Preis aus der Hand des Frankfurter Oberbürgermeisters Willi Brundert (1912–1970; SPD).

Nach Beendigung der Feierstunde begrüßen etwa tausend Frankfurter Bürgerinnen und Bürger den Preisträger vor der Paulskirche mit Beifall. Allerdings wird auch harsche Kritik geübt: Eine kleinere Gruppe junger Leute verteilt Flugblätter, auf denen unter anderem die Verleihung von Preisen an Einzelpersonen als „Verbrechen an der Gesellschaft“ bezeichnet wird. Andere zeigen Plakate, die Schmid als „Preisochse“ bezeichnen und ihn auffordern, das Preisgeld an die Nationale Front für die Befreiung Südvietnams („Carlo! Gib die 50.000 dem Vietcong“) zu stiften. Den Ausruf „Nieder mit Goethe“ erwidert der frischgebackene Preisträger mit dem Gegenruf „Goethe hält euch auch noch aus.“2 Schmid trägt sich anschließend gemeinsam mit dem zur Verleihung angereisten Außenminister Willy Brandt (1913–1992) und anderen prominenten Gästen in das Goldene Buch der Stadt ein.
(KU)


  1. Eigentlich: Karl Johann Martin Heinrich Schmid
  2. DER SPIEGEL 37/1967, 4.9.1967, S. 140: Personalien (eingesehen am 22.5.2017). Carlo Schmid wird 1967/68 wiederholt zum Adressaten studentischer Proteste. Er ist als Bundesratsminister maßgeblich an den Entscheidungen zur Einführung der im Juni 1968 verabschiedeten „Notstandsgesetze“ beteiligt. Mit dem auf den 24. Juni 1968 datierten „Siebzehnten Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes“ (am 27. Juni 1968 verkündet und am 28. Juni in Kraft gesetzt) werden 28 der 145 Grundgesetzartikel geändert oder eingefügt, die Regelungen für den inneren Notstand, den Verteidigungs-, Spannungs- oder Katastrophenfall enthalten. Sie sehen bei Eintreten solcher Krisenszenarien eine Einschränkung der durch das Grundgesetz garantierten Grundrechte vor. Am 20. November 1967 veranstaltet der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) ein „Go-in“ in Schmids Vorlesung über „Theorie und Praxis der Außenpolitik“ an der Frankfurter Universität, um den Bundesminister zu einer Diskussion um die umstrittenen Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg zu zwingen.
Records
Additional Information
Hebis-Klassifikation
732250, Kulturpreis
Hebis-Schlagwort
Schmid, Carlo ; Frankfurt ; Goethe-Preis der Stadt Frankfurt
Recommended Citation
„Goethepreis der Stadt Frankfurt für Carlo Schmid, 28. August 1967“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1237> (Stand: 16.9.2020)
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