Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

13. Hessentag 1973 in Pfungstadt, 16.-24. Juni 1973

In Pfungstadt findet vom 16. bis 24. Juni 1973 der 13. Hessentag statt. Im Vorjahr hatte die mittelhessische Universitätsstadt Marburg den 12. Hessentag ausgerichtet.1

Die Gemeinde Pfungstadt, die über neun Sport-, Turn- und Trainingshallen sowie über 30 Sportplätze verfügt, stellt den Sport in den Mittelpunkt des Veranstaltungsprogramms. Wettbewerbe im Gewichtheben, Kegeln, Schießen (Gaubestenschießen am 16. Juni auf dem Schießstand der SSV Pfungstadt), Springreiten, Schach und mehreren Ballsportarten (u. a. eine Hessen-Auswahl im Hallenhandball als Gegner der deutschen Nationalmannschaft) sind zum Teil international besetzt. Einen weiteren Schwerpunkt des diesjährigen Landesfestes bildet die Jugend, für die der Stadtjugendring Pfungstadt mit dem Jugendtanzfestival oder „Dance in“ für Unterhaltung sorgt. Ernstere Themen behandelt der ständige Jugend-Treffpunkt im Mühlbergheim, der unter dem Motto „Lehrling sein ist schwer“ mit Filmvorführungen, Lehrlingstheater und Diskussionen informiert.

In seiner zur Eröffnung gehaltenen Festansprache würdigt der Landesvorsitzende und Bundestags-Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten Wolfgang Mischnick (1921–2002) in einer Rückschau auf den während der letzten 25 Jahre erfolgten Wiederaufbau des Landes die Verdienste der Flüchtlinge und Vertriebenen. Mischnick sieht Hessen als „Schmelztiegel für viele Hunderttausende von Vertriebenen“, und bekennt sich mit Nachdruck zu dem am 21. Juni 1973 in Kraft tretenden Grundlagenvertrag mit der DDR und den seit Anfang des Jahrzehnts abgeschlossenen Ostverträgen.2 Zu den Höhepunkten des diesjährigen Landesfestes zählen neben den zahlreichen Sportveranstaltungen auch eine Sonderschau der Deutschen Bundesbahn, der Besuch der Besatzung des Zerstörers „Hessen“ der Bundesmarine und die hessischen Meisterschaften der Stenografen und Maschinenschreiber, die vom Hessischen Stenografenverband veranstaltet werden. Der traditionelle Festumzug am Sonntag wird von mehr als 100.000 Menschen besucht. Das seit 1971 auf dem Fest in Tracht oder traditioneller Kleidung auftretende Hessentagspaar darf erstmals auf der Tribüne bei Ministerpräsident Albert Osswald (1919–1996) Platz nehmen.

Im Vorfeld des Hessentags waren Vorwürfe der christdemokratischen Opposition im Landtag und der Jungen Union laut geworden, die die Ablehnung der Beteiligung der CDU am Hessentag durch die Staatskanzlei als autoritär und anmaßend kritisierten und eine Beteiligung an den im Rahmen des Landesfestes angebotenen Bürgersprechtagen forderten.3 Die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag meidet daraufhin demonstrativ den Festakt zur Hessentags-Eröffnung.4

Parallel zum Hessentag veranstaltet die Landesregierung erstmals das bereits im Vorjahr in Marburg angekündigte „Hessen-Forum“, auf dem aktuelle politische und soziale Entwicklungen diskutiert werden sollen. Das aus Anlass des Landesfestes veranstaltete Forum findet jedoch nicht in Pfungstadt, sondern im Darmstädter Liebig-Haus statt und steht unter dem Motto „Konflikt und Übereinstimmung in der Gesellschaft der Gegensätze“. Verantwortlich für die Vorbereitung und Moderation des ersten Hessen-Forums ist der Publizist und frühere Inhaber des Lehstuhls für Politikwissenschaft an der Technischen Hochschule Darmstadt Eugen Kogon (1903–1987). Referenten und Podiumsteilnehmer sind unter anderem der deutsch-französische Professor Alfred Grosser (geb. 1925) aus Paris, der evangelische Theologe und Publizist Dr. Heinz Zahrnt (1915–2003), der erste Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Erich Frister (1927–2005) und der Frankfurter Professor für Politikwissenschaft und Sozialphilosophie Iring Fetscher (1922–2014).

Der 13. Hessentag in Pfungstadt zählt rund 160.000 Besucher. Der nächste Hessentag findet vom 1. bis 9. Juni 1974 in Fritzlar statt.
(KU)


  1. Pfungstadt hatte sich bereits um die Ausrichtung des Hessentages im Jahr 1972 beworben, doch wurde der Universitätsstadt Marburg aufgrund ihres in dieses Jahr fallenden 750-jährigen Gründungsjubiläums der Vorzug gegeben. Eine durch Kabinettsbeschluss besiegelte Entscheidung hierüber fiel im Juni 1971, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.6.1971, S. 25: Hessentage 1972 und 1973.
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.6.1973, S. 32.
  3. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.6.1973, S. 24; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.6.1973, S. 25.
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.6.1973, S. 38: CDU meidet Hessentag.
Records
  • HeBIS Roland Koch (Hg.): Das große Fest der Hessen: die Geschichte der 50 Hessentage seit 1961. Mit einem Aufsatz von Hans Sarkowicz und Beiträgen von Siegfried Becker, Helmut Reitze, Hans-Peter Schick, Frankfurt am Main 2010, S. 42-43 u. S. 51.
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.6.1973, S. 36: Eine Woche von der Folklore bis zur Politik
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.6.1973, S. 56: Alle Hessen sollen mitreden: Politisches Forum zum Pfungstädter Hessentag
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.6.1973, S. 29: Die Schützen beim Hessentag 1973
Additional Information
Recommended Citation
„13. Hessentag 1973 in Pfungstadt, 16.-24. Juni 1973“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/5397> (Stand: 27.11.2022)
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