Die Namen beziehen sich - mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auf Stein- oder Geröllansammlungen, meist an Hängen.
Am unsichersten davon ist der Sachbezug des FlNs Rossel. Das Wort Rossel bezeichnet in Südhessen u. a. ‚durch Verwitterung entstehende Gesteinsabstürze; vom Felde zusammengelesene und angehäufte Steinhalde; Gesteinsader, die durch den Acker zieht; mit Steinen gefüllter Entwässerungsgraben; Bach mit steinigem Bett‘ (SHessWb 4, 1465). Das HNassWb 2, 898 belegt nur die vereinzelte Bedeutung ,Stauwehr, bei dem das Wasser rauschend herabfließt‘. Rossel, Rassel, von KehreinWb 332 für Westhessen als Wort nachgewiesen, bedeutet hier ,felsiger Acker; Vertiefung an einem Berge, durch welche das Wasser fließt; auch Name mehrerer Felsberge‘ (vgl. DWB 14 [VIII], 1258; V. Pfister 237), Steinrossel ,Steinbruch‘. Etymologisch hängt Rossel vermutlich mit nhd. rasseln, mhd. raʒʒeln (Lexer 2, 355) zusammen und ist „wohl von dem Geräusch der herabrollenden Steine hergenommen“ (Dittmaier 251).
Durch Steinbewegung hervorgerufenes Gerassel wird auch bei den anderen Bedeutungsvarianten namengebendes Motiv gewesen sein. Neben Rossel scheint eine umgelautete Nebenform Rössel (/resel/) bestanden zu haben. Vgl. dial. rasseln ,röcheln‘ (Vilmar 331).
Rutsche und Rütsche, als GT in den FlN fast immer im Typ Steinrutsche, -rütsche‚ und Steinritz haben die gleiche Etymologie: mhd. steinrütsche, -rutsche, -rutze ,Felsenklippe, jäher Bergabhang mit Felsen und Gerölle, Höhlen und Spalten in demselben‘ (Lexer 2, 1168) sind entlehnt aus gallorom. *rocca ,Fels‘ (DWB l8 [X, II, 2] 2144; Post 107; vgl. Dittmaier 252).
Steinritze hat also nichts mit nhd. Ritz(e) zu tun. (Stein-)rutsche‚ -rütsche hat sich früh mit der Vorstellung des ,Rutschens‘ verbunden, mhd. rutschen, rütschen, rütsen, rutzen (Lexer 2, 559; vgl. Kluge/Mitzka 617), so daß der Vorstellungsinhalt sich im Namengebrauch verändern konnte (vgl. DWB l4 [VIII], 1568; Weigand/Hirt 2, 630). Entsprechend weit ist das Spektrum der Sachbezüge in den hessischen FlN. Als Wort ist Rutsche, Rütsche in Hessen als ,abschüssige Stelle‘ verschiedener Art verbreitet (SHessWb 4, 1547f.; HNassWb 2, 946), die Steinrütsche auch als ‚anstehender Fels im Acker‘ (HNassWb3, 761), ,felsiger Ackerboden‘ (FrankfWb 3027). Die Bedeutung ,(steiniger) steiler Abhang‘ belegen auch Vilmar 335, Crecelius 705, 808 und KehreinWb 330, der darüber hinaus auf die Bedeutung ‚Stelle auf dem Acker, worüber der Pflug geritscht, nicht tief genug eingegangen ist‘ hinweist. So begegnen in hessischen FlN neben der allgemein verbreiteten Bedeutung für Steinrutsch, Steinritz ,(steiniger) Abhang, Geröllhalde‘ auch Hinweise, daß steiniger Untergrund, vereinzelt sogar römerzeitlicher Steinuntergrund Benennungsmotiv ist (Braun 1954a, 77 für die Wetterau) oder daß sich der Name auf ein Geländestück bezieht, „das durch Ausschwemmen steinig geworden ist.“ (Raven 393 für 5816c2 Neuenhain MTK). Die Bedeutung ‚Reihe von Lesesteinen am Feldrain‘ für Rütsche (ThürWb 5, 313) ist hessisch nicht belegt.
Auch die Steinrücke. als Wort nur im Osthessischen in der Bedeutung ‚als Ackergrenze aufgeschichtete Steinreihe‘ (HNassWb 3, 761) belegt, bedeutet entweder ,Steinhaufen natürlicher oder künstlicher Art‘ oder entspricht der Bedeutung von Steinrutsche, womit es etymologisch verwandt ist, da es auf galloroman. *roccia ,Felsen‘ zurückgeht (DWB 18 [IX, II, 2], 2144). Durch Anlehnung an nhd. Rücken entstand die im Osthessischen öfter belegte Dialektform /-röge/.
Steingeröll, auch in FlN in der standardsprachlichen Bedeutung ,fortrollende Steine in Flußbetten und an Berghängen‘, ‚unregelmäßig verteilte größere Steine‘ (Weigand/Hirt l, 691; DWB 18 [IX, II, 2082), scheint ein junges, im Nhd. entstandenes Wort zu sein. Es ist in Hessen gebräuchlich (SHessWb 2, 1270), in Nassau auch in der Bedeutung ,Gerümpel‘ (KehreinWb 160).
Am unsichersten ist die Bestimmung der Rossel-Namen, vor allem in der umgelauteten Form Rössel, weil sie meist als BT auftreten und hier mit -l-Ableitungen anderer Namen (z. B. Roß) vermengt sein können. Wo Rossel usw. als GT auftritt, liegt immer der Kombinationstyp Steinrossel zugrunde.
1, Aufgenommen sind alle Rutsche-Namen außer dem Kombinationstyp Rutschbach, so daß das Merkmal des ,Steinigen‘ sicher vielfach fehlt und das Merkmal des ‚steilen Abhangs‘ dominiert. Rutsche als GT hat jedoch meist den BT Stein außer in 4824b1 Schemmern WMK, 4824c1 Reichenbach WMK, 4920c1 Bergfreiheit WFK, 4921b6 Trockenerfurth SEK, 4821b2 Obermöllrich SEK, 4924d4 Metzebach SEK, 4921b7 Borken SEK, 5518d1 Gambach WET, 5515b5 Weinbach LIW.
2. Bei Steinritz kann im Einzelfall Vermengung mit ,Ritze‘ und ,Riß‘ vorliegen. Die Ritz(e)- (Riß)-Namen ohne Stein- blieben deshalb unberücksichtigt.
Bei Steinrücke, das leicht mit Steinrücken vermengt ist, wurden nur die fem. Belege aufgenommen.
Aus: Hessischer Flurnamenatlas, Karte 98