Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe in Frankfurt, 26. Mai 1922

In Frankfurt am Main wird eine NSDAP-Ortsgruppe gegründet. Gründungsmitglieder strömen dem ersten hessischen Regionalverband der Nazipartei am Anfang vor allem aus der Frankfurter Ortsgruppe des Deutschen Kampfbunds zur Brechung der Zinsknechtschaft zu, deren Leiter Paul Kamke gleichzeitig dem Vorstand des Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes (DSTB) angehört, aus dem sich weitere erste Parteimitglieder rekrutieren. Kamke wird zum Ortsgruppenleiter, der frühere Vorsitzende der Frankfurter Abteilung des Schutz- und Trutzbundes Gustav Windmeier zum Propagandaleiter ernannt. Die in Frankfurt aktiven Anhänger der Deutschsozialistischen Partei (DSP) treten sofort geschlossen zur NSDAP über.1 Ob auch der spätere Reichsstatthalter des Volksstaates Hessen Jakob Sprenger (1884–1945) bereits im Mai 1922 vom Kampfbund in die NSDAP wechselt, bleibt unklar.2

Gründungsinitiative aus den Reihen einer nationalistischen Terrororganisation

Besondere Bedeutung in Zusammenhang mit der Gründung der Frankfurter Ortsgruppe kommt auch den hier mit dem Aufbau von verdeckten Wehrverbänden beauftragten Mitgliedern der geheimen „Organisation Consul“ (O.C.) zu.

Friedrich Wilhelm Heinz (1899–1968), ehemaliger Schriftführer des rechtskonservativ-revolutionären Jungdeutschen Ordens3, Karl Tillessen, Mitglied der „Marine-Brigade Ehrhard“ und in Frankfurt mit dem Aufbau einer als Turnverein getarnten SA-Brigade befasst, Hartmut Plaas (Geschäftsführer der vorher von Gustav Windmeier geleiteten „Völkischen Rundschau“), Georg Wurster (später NS-Kreisleiter von Calw im Nordschwarzwald) und andere in Frankfurt agierende Aktivisten der terroristischen „Organisation Consul“ (Heinz, Plaas und Tillessen beteiligten sich unter anderem an den Vorbereitungen des Anschlags auf Walther Rathenau) waren maßgeblich an der Initiative zur Gründung des ersten hessischen Ortsverbandes der NSDAP beteiligt.

Uneingeschränkte Zustimmung zum Parteiprogramm

Bereits am 18. April war in Frankfurt ein Partei-Gründungsausschuss zusammengetreten, der sich einstimmig zum Münchener Parteiprogramm („25-Punkte-Programm“, am 24. Februar 1920 von Hitler im Hofbräuhaus verkündet) und treuer Gefolgschaft zur bayerischen NSDAP bekannte. Die „Völkische Rundschau“ berichtete am 22. April 1922 darüber folgendermaßen: der Ausschuss beschloss, den bayrischen Volksgenossen treue Helfer im Kampf für den völkisch-großdeutschen Gedanken zu sein. Es darf und soll nicht sein, daß die Landesgrenzen zwischen Bayern und Preußen uns berechtigen, einen eigenen Weg zu gehen. Hoffen wir, in aller Kürze ein einheitliches Wollen zwischen Berlin-Nürnberg-München klar und deutlich zu sehen. Getrennt marschieren und vereint schlagen soll unsere Parole sein. Das letztere ist aber nur möglich, wenn die leitenden Persönlichkeiten sich bewußt sind: 'daß sie dem Volk und somit dem Vaterland zu dienen verpflichtet sind!'4 Die in dieser Erklärung angedeuteten Führungs- und Richtungskämpfe innerhalb der im Entstehen begriffenen Ortsgruppe und der Landesverbände untereinander weichen auf der Gründungsversammlung allerdings einer geschlossenen Einigkeit.
(KR/KU)


  1. Vgl. Schön, Die Entstehung des Nationalsozialismus in Hessen, Meisenheim am Glan 1972, S. 29.
  2. Vgl. Website „Frankfurt am Main 1933–1945“ des Instituts für Stadtgeschichte der Stadt Frankfurt am Main: Der Gauleiter Jakob Sprenger (eingesehen am 26.5.2020).
  3. Heinz, einer der leitenden Köpfe der Frankfurter Bruderschaft und „Ballei“ Starkenburg des Jungdeutschen Ordens (innerhalb der ordensmäßigen Organisation des Jungdo wurde der Zusammenschluss lokaler Bruder- und Schwesternschaften auf Kreis- und Landesebene als „Ballei“ bzw. „Großballei“ bezeichnet; vgl. Wolfgang Lohmüller, Der Jungdeutsche Orden, in: Neue Politik: Beiträge zur politischen Neuordnung 48 (2004), [Mai-Ausg.], S. 2), trennte sich im Mai 1922 mitsamt der ganzen Starkenburger Sektion des Jungdo von dem von Artur Mahraun geführten Mutterverband, nachdem dieser sich kritisch zum „nationalen Putschismus“ der Wehrverbände geäußert hatte. Mahraun war seinerseits bestrebt, Heinz, dem eine Beteiligung am Erzberger-Mord vorgeworfen wurde, und der im September/Oktober 1921 in Untersuchungshaft genommen worden war, aus dem Orden zu entfernen. Um einem behördlichen Verbot des Jungdo zuvorzukommen, löste Mahraun die durch Heinz und andere unterwanderte Frankfurter Bruderschaft kurzerhand ganz auf, vgl. Website „Frankfurt am Main 1933–1945“ des Instituts für Stadtgeschichte der Stadt Frankfurt am Main: Der „Jungdeutsche Orden“ in Frankfurt 1920–1922 (eingesehen am 6.7.2012).
  4. Zitiert nach Eberhart Schön, Die Entstehung des Nationalsozialismus des Nationalsozialismus in Hessen, Meisenheim am Glan 1972, S. 28.
Belege
Weiterführende Informationen
Hebis-Schlagwort
Hessen; NSDAP
Empfohlene Zitierweise
„Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe in Frankfurt, 26. Mai 1922“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3080> (Stand: 26.5.2022)
Ereignisse im April 1922 | Mai 1922 | Juni 1922
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