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„Eichberg-Prozess“ in Wiesbaden, 16. Juli 1952

In Wiesbaden beginnen die Verhandlungen im „Eichberg-Prozess“. Hierbei stehen die beiden freien Journalisten Sievers (Pressefotograf) und Heinze-Mansfeld unter Anklage. Beide waren Hinweisen auf Missständen in der Landesheilanstalt Eichberg nachgegangen. So soll die Leitung des Eichbergs Patienten als billige Arbeitskräfte eingesetzt haben, obwohl diese bereits hätten entlassen werden müssen. Darüber hinaus sollen unliebsame Patienten mit „Zement- und Kotzspritzen“ behandelt worden sein. Die Journalisten hatten die Anstalt um eine Stellungnahme über die Vorwürfe und das gesammelte Material gebeten, was diese allerdings verweigerte. Daraufhin wurde die Informationen an den „Stern“ verkauft, der über die angeblichen Missstände berichtete. Die Anstaltsleitung stellte als Reaktion darauf Strafanzeige wegen Beleidigung, Verleumdung und falscher Anschuldigung gegen das Blatt gestellt. Der daraus resultierende Prozess findet in der Öffentlichkeit ein große Resonanz. Der Oberarzt der Landesheilanstalt, Dr. Ohm, sagt vor Gericht aus, dass der Frankfurter Obermedizinalrat Dr. Kohl den beiden Angeklagten die Hinweise aufgrund der Aufforderung krimineller Patienten in der Reichsmarkzeit Nahrungsmittel zu beschaffen, gegeben habe. Dr. Kohl soll den Patienten als Gegenleistung in Strafsachen den § 51 (Schuldunfähigkeit) zugebilligt haben. Gegen diese Darstellung will Dr. Kohl Klage einreichen. Für die im Stern erhobenen Vorwürfe finden sich in dem Verfahren allerdings keine erhärtenden Verdachtsmomente. Lediglich ein Patient, der sich für einen Alkoholentzug freiwillig in die Klinik einweisen ließ, sagt aus, er sei gegen seinen Willen länger auf dem Eichberg festgehalten worden. Dies wird ein Verfahren wegen Freiheitsberaubung gegen Dr. Ohm nach sich ziehen. Im Laufe des Prozess kristallisiert sich heraus, dass in der Klinik einige Missstände herrschen; so sei ein Unfallopfer in der Notaufnahme lediglich ruhig gestellt, nicht aber behandelt worden. Zudem verweigerte man ihm die Nahrungsaufnahme. Der massive Einsatz von Sedativen in der Anstalt steht nach Meinung Professor Levenstein, Leiter einer Heilanstalt bei Düsseldorf und vom Gericht als Gutachter bestellt, in keinem Verhältnis zur medizinischen Notwendigkeit. Insgesamt kann im Prozess zwar nicht der Beweis für die Berichte der Journalisten erbracht werden, aber es zeigt sich deutlich, dass in der Landesheilanstalt Missstände herrschen.
(MB)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„„Eichberg-Prozess“ in Wiesbaden, 16. Juli 1952“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4099> (Stand: 16.7.2023)
Ereignisse im Juni 1952 | Juli 1952 | August 1952
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