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Gründung des Internationalen Musikinstitut in Darmstadt, 1948

Ausgehend von den seit Sommer 1946 abgehaltenen Ferienkursen für internationale Neue Musik wird in Darmstadt das „Internationale Musikinstitut“ gegründet. Wie schon bei den Ferienkursen tritt auch hier der seit 1945 das Amt des Kulturreferenten und die Leitung des Kulturamtes der Stadt Darmstadt innehabende Theater- und Musikkritiker Dr. Wolfgang Steinecke (1910–1961) als Initiator in Erscheinung. Steinecke verfolgte bereits 1946 den Plan, die von ihm ins Leben gerufenen Darmstädter Ferienkurse durch die Errichtung eines „Instituts für internationale Gegenwartsmusik“ zu verstetigen.1=Ein entsprechendes Konzept liegt als Dokument der Städtischen Kulturverwaltung vor und trägt das Datum vom 17. Juli 1946, also einige Wochen vor Beginn der ersten Ferienkurse.

Ruf nach Verstetigung der „Ferienkurse“

Unterstützung findet dieser Plan zunächst im Anschluss an die 1947 zum zweiten Mal ausgerichteten Ferienkurse, an deren Ende der Schweizer Komponist und spätere Intendant der Hamburgischen Staatsoper Rolf Liebermann (1910–1999), zu diesem Zeitpunkt Tonmeister bei Radio Zürich, im schweizerischen Rundfunk dazu aufruft, den Wiederaufbau des deutschen Musiklebens zu fördern. Liebermann erwirkt eine Schenkung von Partituren, die einen ersten Kern zur Bibliothek des angestrebten „Studienzentrums“ in Darmstadt bilden sollen. Liebermanns Appell wird von der 1939 gegründeten schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia aufgegriffen, die sich bereiterklärt, einen Teil der zur Zahlung von Urheberrechten erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen.
Der deutsche Musikwissenschaftler Heinrich Strobel (1898–1970) stellt fast zur gleichen Zeit in einem in der von ihm herausgegebenen Musikzeitschrift „Melos“ veröffentlichten Artikel die Frage, ob es nicht möglich sei, die Ferienkurse zu einer festen Einrichtung zu machen, und zu diesem Zweck eine Art „musikalisches Bauhaus“ als pädagogischen Mittelpunkt für die Neue Musik zu schaffen.2 Die Stadt Darmstadt entschließt sich, das Vorhaben zu unterstützen. In einem Dokument der Kulturverwaltung zu Aufgaben und Aufbau eines „Internationalen Musik Instituts Darmstadt“ vom 1. Oktober 1947 wird die Gründung des als bereits geschehen vorausgesetzt (!), Stand und Planungen ließen eine Eröffnung des Instituts noch in diesem Jahr als möglich erscheinen.3 1948 erscheint ein dreisprachig abgefasstes Informationsheft unter dem Titel „Internationale Ferienkurse für Neue Musik / Holiday Courses for New Music / Cours de Vacances de Musique Moderne“, in dem die Gründung des Instituts im Darmstädter Jagdschloss Kranichstein erstmals publizistisch belegt ist und dort abermals als bereits geschehen vorausgesetzt wird. Ein offizielles Gründungsdokument des Musikinstituts existiert jedoch nicht.

Aufbauarbeit in schwierigen Zeiten

In den ersten Monaten ihres Bestehens trägt die Institution den Namen „Internationales Musikinstitut / Schloss Kranichstein“. Seine Aufgabe ist die planvolle Fortführung der „Ferienkurse für internationale neue Musik“ und die Förderung der zwischen dem deutschen und dem internationalen Musikleben bestehenden Verbindungen. Die Arbeitsgrundlage hierfür bildet der Aufbau einer umfassenden Bibliothek und die Sammlung möglichst aller wichtigen Werke der zeitgenössischen Musik, ergänzt durch ein Archiv von Tonträgern, Fachbüchern und Fachzeitschriften sowie ergänzender Dokumente. 1949 wird das Institut in „Kranichsteiner Musikinstitut“ umbenannt – gleichzeitig aber verzichten die Ferienkurse auf das Jagdschloss als Veranstaltungsort4 und wechseln in das Adventistenseminar auf der Marienhöhe.
Im Januar 1950 wird die erste Aufbaustufe der Bibliothek, die sich in den folgenden Jahren zum eigentlichen Zentrum des Instituts entwickelt, abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Kranichsteiner Musikinstitut ohne eigene Schreibkraft in einem einzelnen Zimmer des Darmstädter Amerikahauses in der Kasinostraße 3. Etlichen wirtschaftlichen und logistischen Mängeln zum Trotz übernimmt das Institut 1949 das Sekretariat der wiedergegründeten deutschen Sektion der „Internationalen Gesellschaft für neue Musik“ (von der auch ein örtlicher Ableger zur Förderung von Verbindungen des Musikinstituts mit dem örtlichen Musikleben in Darmstadt entsteht)5und gibt später die Veröffentlichung Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland heraus. 1950 erfolgt ein erneuter Umzug in die Lagerhausstraße 9, 1954 wird der Standort abermals verlegt, in den Roquetteweg 31.

Wolfgang Steinecke leitet das Institut von 1948 bis zu seinem Tod im Dezember 1961. Ihm folgt 1963 Ernst Thomas nach, der bereits 1962 die Leitung der Ferienkurse übernimmt. Ab 1. Oktober 1963 bezieht das Institut seinen neuen Sitz in der Nieder-Ramstädter Straße Nr. 190 und wechselt – in Wiederanknüpfung an die ursprüngliche Bezeichnung – seinen Namen in „Internationales Musikinstitut Darmstadt“ (IMD) mit dem Untertitel „Informationszentrum für zeitgenössische Musik“.
(KU)


  1. Vgl. Trudu, Antonio: Zur Entstehungsgeschichte des Internationalen Musikinstituts Darmstadt, in: Rudolf Stephan / Lothar Knessl / Otto Tomek [u. a.] (Hrsg.): Von Kranichstein zur Gegenwart: 50 Jahre Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik / hrsg. im Auftrag des Internationalen Musikinstituts Darmstadt, 1. Aufl., Stuttgart 1996, S. 11-16, hier: S. 11.
  2. Ebd., S. 16, Anm. 5.
  3. Das im Norden Darmstadts gelegene Jagdschloss ist einer der wenigen erhaltenen barocken Jägerhöfe in Deutschland. Es wird 1952 von der mit Unterstützung des Landes Hessen als gemeinnützige Stiftung gegründeten Stiftung Hessischer Jägerhof erworben, die sich seitdem um den Erhalt des Baudenkmals und das in ihm eingerichtete Jagdmuseum kümmert. Vgl. auch den Internetauftritt der Stiftung Hessischer Jägerhof museum.jagdschloss-kranichstein.de (eingesehen am 22.8.2012).
  4. Kurz: IGNM, oder international: International Society for Contemporary Music (ISCM). Die IGNM ist die älteste internationale Dachorganisation zur Förderung der Neuen Musik und wurde ursprünglich am 11. August 1922 unter Beteiligung zahlreicher namhafter Komponisten in Salzburg gegründet.
Belege
Weiterführende Informationen
Hebis-Schlagwort
Internationale Ferienkurse für Neue Musik, Darmstadt;
Empfohlene Zitierweise
„Gründung des Internationalen Musikinstitut in Darmstadt, 1948“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4759> (Stand: 15.8.2021)
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