Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Erster deutscher Wohnungskongress in Frankfurt, 16. Oktober 1904

In Frankfurt am Main tritt der erste deutsche Wohnungskongress zusammen. Zur Veranstaltung kommen 1.200 Männer, die sich im öffentlichen Leben mit Wohlfahrtspflege, Hygiene und Sozialpolitik beschäftigen. Sie werden von dem preußischen Landtagsabgeordneten Prinz zu Schönaich-Carolath (1852–1920) begrüßt. Als Vertreter des Reichsamts des Innern spricht der Geheime Oberregierungsrat Lohmann (1863–1941).

Für den Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel (1837–1919) führt Geheimrat Dombois aus Berlin aus, der Staatssekretär wisse die Bedeutung der Wohnungsfürsorge in sittlichem, hygienischem und allgemein volkswirtschaftlichem Interesse voll zu würdigen. Das Reichsschatzamt habe trotz schwieriger Finanzlage wiederholt Mittel zur Beschaffung billiger Wohnungen für Beamte und Arbeiter im Reichsdienst bereitgestellt. Mancher brave Beamte und Arbeiter ist schon zu einem schönen Heim gekommen, und es gereiche einem zur Freude, wenn man sehe, mit welcher Befriedigung die Leute ihr Heim andern zeigen.Alle Polizei- und sonstigen Maßnahmen werden nur Unvollkommenes leisten, wenn sie nicht unterstützt werden von dem Verständnis des Einzelnen. Die Wohnung stellt das getreue Spiegelbild eines Menschen und seiner sozialen Stellung dar. Möge die Erkenntnis sich in immer weitern Kreisen Bahn brechen, daß die Ausgaben für eine schöne Wohnung immer nutzbringend angelegt sind, und daß scheinbare Ersparnisse auf diesem Gebiet im Wirtshaus, für inhaltslose Vergnügungen daraufgehn oder zum Arzt wandern. Darum muß die Hauptsache aller sozialen Fürsorge die Beschaffung billiger und guter Kleinwohnungen sein.

Auf dem Wohnungskongress sind auch die Regierungen von Bayern und Baden und des Großherzogtums Hessen vertreten. Der Oberbürgermeister der Tagungsstadt Frankfurt, Franz Adickes (1846–1915), wird zum Ehrenvorsitzenden gewählt.
(OV)