Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Hartmann, Lebenserinnerungen eines Alsfelder Lehrers, 1914-1919

Abschnitt 1: Mobilmachung in Alsfeld am 1. August 1914

[13-14] Die erste dienstliche Verwendung fand ich in Burg-Gemünden, wo ich einen erkrankten Lehrer vertreten mußte. Anschließend sollte ich ab 1. August acht Wochen lang Herrn Lehrer Sander in Fischbach vertreten, der eine militärische Übung ableisten mußte. Aus der Übung wurde blutiger Ernst, der Eingezogene kehrte nicht wieder nach Fischbach zurück, sondern ließ in Frankreich sein Leben.

Mobilmachung 1914

Der 1. August 1914, ein denkwürdiger Tag. Morgens hatte ich in Fischbach meinen Dienst angetreten, mit dem Fahrrad kehrte ich nach Alsfeld zurück, um den Sonntag hier zu verleben. Es war ein schwüler Tag, allenthalben waren die Bewohner unserer Stadt in Erregung. Um 5 Uhr nachmittags lief die Frist zur Beantwortung des an Rußland gerichteten Ultimatums ab. Was soll werden, Entspannung oder Krieg? Um [S. 14] 6 Uhr wußten wir es. Bürgermeister Dr. Völsing verkündete in Hauptmannsuniform vom Rathaus aus den auf dem Marktplatz versammelten Menschen, daß der Kaiser die Mobilmachung des Heeres und der Marine befohlen habe. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht durch die Straßen, die Oberhessische Zeitung gab ein Extrablatt heraus mit folgender Meldung: Der Kaiser ordnete die allgemeine Mobilmachung an. Erster Mobilmachungstag: Sonntag, 2. August.

Als ich nach Hause kam, war Herr Lehrer Löw aus Eifa dagewesen, um mir mitzuteilen, daß ich für ihn am Sonntagmorgen Gottesdienst halten sollte. Er selbst war schon unterwegs in den Odenwald, um von seinen Verwandten und Bekannten, die in den nächsten Tagen zum Militär einrücken mußten, Abschied zu nehmen. Die Lehrertätigkeit in der damaligen Zeit war vielfältig. Neben seiner Arbeit in der Schule konnte der Lehrer verpflichtet werden, auch Fortbildungsschulunterricht zu halten und den Organisten- und Vorlesedienst in der Kirche zu übernehmen. Mir kam der Auftrag meines Kollegen sehr ungelegen. Was sollte ich den Gottesdienstbesuchern bieten? Mit einer der üblichen Sonntagspredigten war es an diesem Tag nicht getan. Ein passendes Gesangbuchslied fiel mir gleich ein. Es konnte für mich nur das Lutherlied sein: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen." Aber damit allein war es nicht getan. So fuhr ich am Sonntagmorgen recht unbefriedigt nach Eifa, doch es ging viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte.


Personen: Hartmann, Jakob · Sander, Lehrer · Völsing, Bürgermeister · Wilhelm II., Deutsches Reich, Kaiser · Löw, Lehrer
Orte: Burg-Gemünden · Alsfeld · Fischbach · Eifa · Odenwald · Frankreich · Rußland
Sachbegriffe: Manöver · Mobilmachung · Fahrradfahren · Uniformen · Rathäuser · Marktplätze · Heer · Marine · Oberhessische Zeitung · Extrablätter · Gottesdienste · Lehrer
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Hartmann, Lebenserinnerungen eines Alsfelder Lehrers, 1914-1919, Abschnitt 14: Mobilmachung in Alsfeld am 1. August 1914“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/79-1> (aufgerufen am 18.04.2024)