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Ministerpräsident Stock eröffnet Parlamentarischen Rat in Bonn, 1. September 1948

Der hessische Ministerpräsident Christian Stock (1884–1967) eröffnet in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz im Museum Koenig in Bonn die Beratungen des Parlamentarischen Rats. In seiner Ansprache weist er auf eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Besatzern und Besetzten hin:
Wir sind ein von Siegern besetztes Land und haben noch nicht die volle Handlungsfreiheit. Trotzdem ist unser Ziel unverrückbar klar geblieben, zu einheitlichem Handeln nach großen Grundsätzen zu kommen. [...] Wir handeln heute zum ersten Male in der neuen deutschen Geschichte seit der Kapitulation nicht nach einem Diktat, sondern nach Vereinbarungen, die zwischen den Herren Militärgouverneuren und den Ministerpräsidenten zustande gekommen sind. Der Wirtschaftsrat wurde aufgrund einer militärischen Proklamation von zwei Besatzungsmächten gebildet, der Parlamentarische Rat ist nach deutschem Entschluß geformt und zusammengerufen worden.
Auftrag des aus 65 Mitgliedern, darunter vier Frauen, bestehenden Gremiums ist gemäß den Frankfurter Dokumenten vom 1. Juli 1948 die Ausarbeitung einer Verfassung für die in einem föderalen und demokratischen Staat zusammenzufassenden drei westlichen Besatzungszonen. Als Vertreter Hessens sind die sozialdemokratischen Regierungspräsidenten Ludwig Bergsträsser (1883–1960; Darmstadt) und Fritz Hoch (1896–1984; Kassel) sowie Justizminister Georg August Zinn (1901–1976), die Christdemokraten Heinrich von Brentano (1904–1964) und Walter Strauß (1900–1976) sowie Max Becker (1888–1960; FDP) entsandt worden.
Am Ende der Arbeit des Parlamentarischen Rats steht das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, das am 23. Mai 1949 in Kraft tritt. Elisabeth Selbert (1896–1986; SPD), einzige an der Erarbeitung der Hessischen Verfassung beteiligte Frau, gehört zu den vier „Müttern des Grundgesetzes“, obwohl ihr seitens der hessischen Sozialdemokraten ein Mandat für den Parlamentarischen Rat verwehrt worden war. Der Fürsprache des SPD-Parteivorstandes um Kurt Schumacher verdankte sie, dass sie doch noch nach Bonn fahren konnte, und zwar als Delegierte der SPD in Niedersachsen. Im Parlamentarischen Rat „sorgte [sie] quasi im Alleingang für die definitive Verankerung des Artikels 3“ (Kroll, S. 93) im Grundgesetz, demzufolge Männer und Frauen gleichberechtigt sind.
(OV / CP)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Ministerpräsident Stock eröffnet Parlamentarischen Rat in Bonn, 1. September 1948“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/946> (Stand: 12.10.2020)
Ereignisse im August 1948 | September 1948 | Oktober 1948
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