Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Wilhelm Egly, Kriegstagebuch eines Soldaten aus Friedberg, 1916-1917

Abschnitt 11: II. Kolonie Dambrowa, Nachricht vom Bruder

◀ [55-56] […] 7. Juli 1916.
Um Rock und Hose flicken zu lassen, mußte ich heute zur Kolonie Dambrowa zurück, wo die Bagage steht.
Ich erhalte Post: mein Bruder bei Verdun— Thiaumont! Ich sorge mehr um ihn als um mich. Möge auch ihm ein guter Stern leuchten, der ihn gesund aus dem unheilvollen Land an der schönen Maas hinwegführt! Wir werden noch manchen langen Zug tun müssen aus dem bitteren Kelch dieser schweren Zeit. —
Kolonie Dambrowa ist eine Siedlung deutscher Bauern, die im Frieden von ihrem Freiland durch moskowitische Russen nicht verdrängt werden konnten, wie einst die Deutschen in den Kolonien Pustomyty und Wilhelminowka, die zum größten Teil nach Amerika ausgewandert sind. Hier wie dort dem Deutschtum verloren!
Ich spreche mit zwei Knaben, die sich in einer Scheune vor den Kosaken verborgen gehalten hatten, bis wir kamen. In fließendem, etwas breitem Deutsch, das [S. 56] an ostpreußischen Dialekt erinnert, erzählen sie einfach und bescheiden von den Schreckenstagen der Russenherrschaft, vor deren Beginn die Schwester geflüchtet sei, während deren Dauer aber Vater und Mutter verschwunden seien.
Im Frieden hatten die Kolonisten ein ganz zufriedenes Dasein. Das Land, das sie besaßen, ernährte sie; es war Freiland, das ihnen nicht genommen werden konnte. Die Kinder besuchten regelmäßig den Unterricht in der deutschen Schule. Zweimal im Jahr kam der evangelische Pfarrer und teilte das heilige Abendmahl aus. Die Obrigkeit war duldsam, wenn auch die echten Russen in jeder Hinsicht bevorzugt worden sind. Erst während der Mobilmachung ist der ganze Haß gegen die Deutschen zum Ausbruch gekommen, die gewaltsam ins Heer eingestellt, zum größeren Teil aber plötzlich nach Sibirien verschleppt worden sind.
Arme Kinder, so lange wir hier sind, sollt ihr es gut haben und nicht Hunger leiden müssen! ▶