Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916

Abschnitt 8: Eintreffen von Siegesmeldungen von allen Fronten

[Sp. 239-240]
Mit der Einberufung des Landsturms fällt zugleich der Schulanfang zusammen. Die Stadtschule entbehrt einen Lehrer, das Gymnasium deren zwei, darunter den Direktor, der, soeben kriegsgetraut, die Felduniform anlegen muß. Der in den Ruhestand getretene Anstaltsdirektor stellt seine Kraft aufs neue in den Dienst der Schule. Auch an anderen Stellen macht sich das Fehlen der Krieger bemerkbar. Die [Sp. 240] Feuerwehr hat ihren Kommandanten und dessen Stellvertreter verloren und ebenso die meisten ihrer Hornisten, einer der Aerzte ist einberufen, im Kreishause fehlt es an Beamten und auf dem Amtsgericht fehlen zwei Assessoren, ein Assistent und ein Gerichtsdiener, das Katasteramt ist verwaist, der Rechtsanwalt steht im Feld und der soeben angestellte Stadtrechner muß seiner Kriegspflicht genügen, kurz überall Lücken, die empfindlich wirken. Wie überall, so melden sich auch aus unserer Kreisstadt Freiwillige in Menge. Niemand will untätig sein, der Drang, das Vaterland verteidigen zu helfen, ist zu groß und er wächst mit jeder Siegesnachricht, die hierher gelangt. Wie sie sich häufen! „Lüttich im Sturm genommen", - der Sieg bei Lagarde, bei Mülhausen und Stallupönen, die gewaltigen Kämpfe in Lothringen, die Einnahme von Brüssel, die Erstürmung von Namür – und an, Schlusse des Monats die glorreichen Schlachten an den masurischen Seen! Schnell und zuverlässig erreichen uns die Nachrichten vom Kriegsschauplatze. Die zur Abendzeit elektrisch beleuchtete Tafel vor der Heinzerling'schen Buchdruckerei ist selten ohne Anschlag: Wolffsche Telegramme, die Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben. Sie werden am Rathause angeschlagen, auf dem Marktplatze, am Bahnhofshotel, bei den Schulhäusern und auf der Ludwigshütte. Schnell wie der Wind eilen die Nachrichten durch die Stadt und es bedarf keiner Viertelstunde, bis sie Jeder kennt. Schon einige male haben sie Anlaß zu festlichem Glockengeläute und dröhnenden Böllerschüssen gegeben. Dem Lesebedürfnisse der Minderbemittelten hat die Stadt Rechnung getragen. Im Rathause liegen gute Tageszeitungen und die Karte des Kriegsschauplatzes zu Jedermanns Einsicht auf. Auch die Verlustlisten sind dort einzusehen.


Personen: Spieß, Karl
Orte: Biedenkopf · Ludwigshütte · Lüttich · Lagarde · Mülhausen · Stallupönen · Lothringen · Brüssel · Namur · Masurische Seen
Sachbegriffe: Landsturm · Schulen · Lehrer · Feuerwehr · Ärzte · Beamte · Gerichte · Katasterämter · Rechtsanwälte · Kriegsfreiwillige · Siegesnachrichten · Elekrizität · Glockenläuten · Zeitungen · Tageszeitungen · Verlustlisten · Wolff's Telegraphisches Bureau (Berlin)
Empfohlene Zitierweise: „Karl Spieß, Die Mobilmachung in Biedenkopf und die Kriegsmonate bis März 1916, Abschnitt 7: Eintreffen von Siegesmeldungen von allen Fronten“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/1-8> (aufgerufen am 29.03.2024)