Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

1494 April 21

Berthold von Mainz berichtet Wilhelm III. über seinen Streit mit dem Pfalzgrafen

Regest-Nr. 7149

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Abschriften: Staatsarchiv Marburg, Kopiar 21, Nr. 35, Bl. 180-183. Unterschrift und Außenadresse des Schreibens sind der Kopie nachgesetzt. Selbst dieses Schreiben aus der Kanzlei des bedeutenden Mainzer Erzbischofs und Reichserzkanzlers Berthold von Henneberg ist in einem Stil abgefaßt, der an Klarheit und Prägnanz alles zu wünschen übrig läßt. Satzbau und Satzgliederung sind noch derart unter- und verwickelt, daß sie dem Verständnis erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Man darf diese Formulierungsschwächen und Verklausulierungskünste jedoch nicht nur als zeitgemäße Stufe der Sprach(unter)entwicklung ansehen, denn es gibt hinreichende Gegenbeispiele von verständlich gefaßten Urkundentexten, wie etwa schon der folgende Burgfriedensvertrag (Nr. 2568) erweist.
Regesten: Demandt, Regesten Kopiare 2, S. 1032 Nr. 2566.
Regest
Erzbischof Berthold von Mainz schreibt an Landgraf Wilhelm III.:
Die gegen ihn (Berthold) erhobene Klage, daß er den Vergleich (die richtung) zwischen ihm und Pfalzgraf Philipp bei Rhein, den die Erzbischöfe von Trier und Köln wegen etlicher Irrungen getroffen haben, nicht halte und vollziehe, veranlaßt ihn, da er nicht gerne bei ihm (Landgraf Wilhelm), obwohl unschuldig, verdächtigt werde, ihm den Fall in Kürze (!) auseinander zu setzen.
Das Mainzer Stift hat in seiner Stadt Bingen seit alters einen Wochenmarkt für die Bedürfnisse von Handwerk und Gewerbe der oberen, niederen und Neben-Lande des Rheinstroms. Den Besuch dieser Märkte hat der Pfalzgraf vor etwa zwei Jahren verboten, sperrt des Reiches Straßen und läßt darauf wegnehmen, was zum oder vom genannten Markt geführt wird, sogar dasjenige, was aus des Mainzer Stifts eigenen Orten nach Bingen gebracht werden soll.
Statt dessen hat der Pfalzgraf einen neuen Markt in einem Dorf hinter Bingen eingerichtet, das vor etlichen Jahren zum Teil, jetzt aber ganz an die Pfalz gekommen ist. Er befestigt es mit Türmen und Gräben, um dadurch den althergebrachten Binger Markt auszuschalten (nidderzulegen) und zu sich herüber zu ziehen, was gegen alles Herkommen im Reich ist und ihn, das Stift und die Stadt, die dem Mainzer Domkapitel zusteht, schwer schädigt. Das hat er (Berthold) beim Pfalzgrafen oftmals geklagt und ihn ersucht, diese Neuerung und Beschwerung abzustellen, doch ist alles umsonst gewesen, die Binger Wochenmärkte sind eingegangen (niddergelegt).
Ferner: Der Landmann der anliegenden Landschaft und der Kaufmann aus den niederen Landen haben herkömmlicherweise die Weine von den Grenzen der Nahe und des Goldbachs (gulden-) auf dem Wagen nach Bingen an den Rhein geführt und dort die Fässer mit dem Kran in die Schiffe heben lassen, da diese Weine nicht kostengünstiger an den Rhein gebracht werden können. Das will der Pfalzgraf ebenfalls verhindern und bedrängt die Leute, ihren Wein durch seinen (neu) errichteten Kran verladen zu lassen, was eine Schiffsladung (schiffart) Wein um 50-60 fl. verteuert. Damit werden auch die Einkünfte des Binger Krans hinfällig und zudem der Zoll zu Ehrenfels gemindert.
Der Pfalzgraf sperrt aber nicht nur des Reiches Straßen im Erzstift zu Wasser und zu Lande, sondern schädigt auch die Geistlichkeit zu Mainz, die Stifte und Klöster an ihren Einkünften.
Auf dem gütlichen Tage der beiden Erzbischöfe von Trier und Köln zu Koblenz ist vereinbart worden, die Straßen im Stift offen zu halten, jedermann zu gestatten, für seinen Wein den Kran zu benutzen, der ihm beliebt, und allen Geistlichen und Laien das Ihre folgen zu lassen.
Das Kloster St. Rupertsberg bei Bingen, nur durch ein Gewässer zum Rhein von ihm geschieden, steht dem Mainzer Stift mit aller Obrigkeit zu. Es ist ursprünglich unter dem Schutz eines römischen Kaisers gestiftet worden und soll keinen anderen Vogt als das Mainzer Stift haben. Dieses Kloster hat er (Erzbischof Berthold) reformiert, worauf einige Klosterfrauen ausgetreten sind und sich unter pfälzische Oberhoheit begeben haben. Deshalb werden dem Kloster die Renten aus der Pfalz entzogen und den ausgetretenen Klosterfrauen zur Bestärkung in ihrem Ungehorsam zugewendet. Zugleich gesteht ihm der Pfalzgraf das Recht der Reform nicht zu, da das Kloster ihm (dem Pfalzgrafen) zustehe und im Gebiet seiner Obrigkeit liege. Deshalb hat er (Erzbischof Berthold), um weiteren Schaden zu verhüten, dort einige Befestigungen errichten lassen, da das Kloster nahe bei des Stifts Stadt Bingen liegt. Auf diese Bauten haben sich die pfälzischen Räte auf dem Tag in Koblenz bezogen, obwohl sich die Binger damit nicht gegen den Pfalzgrafen verdingt haben, sondern die Bauten nur zur Verteidigung errichtet worden sind.
Nachdem auf dem Koblenzer Tage die Artikel abgehandelt worden waren, haben die Schiedsleute kein Wort über das Kloster verlauten lassen, obwohl die erzbischöflichen Räte sie öffentlich darum ersucht haben. Nachdem die pfälzischen Räte heimgekehrt sind, hat sich das Gerede verbreitet, er (Erzbischof Berthold) solle den Bau auf dem St. Rupertsberg beseitigen (abthun), was er vorhatte; denn er beabsichtigte nicht, den Bau stehen zu lassen, da seine Besetzung Kosten verursacht hätte, dessen Beseitigung ihm aber nun unter den gegenwärtigen Verhältnissen erheblichen Schaden zufügen könne.
Das aber nimmt der Pfalzgraf zum Anlaß, den Koblenzer Spruch nicht zu halten, sondern des Reiches Straßen zum Stift weiterhin zu sperren und das den Stiftsangehörigen abgenommene Gut ihnen weiter vorzuenthalten. Dazu haben letztens die Pfälzischen die Schläge des Stifts bei Bingen mit Pulver gesprengt und verbrannt, Pforten verschraubt, die seit langem stehenden Grenzsteine des Stifts zerschlagen und den Stiftsuntertanen viel Unbill zugefügt. Er hat dieses Verhalten um des Friedens willen zum Schaden des Stifts lange Zeit in der Hoffnung geduldet, es werde sich ändern. Das hat aber nichts genutzt, im Gegenteil nimmt die Unbill täglich zu und wird je größer, desto länger er sie duldet. Wegen der in diesem Streit gegen ihn (Erzbischof Berthold) erhobenen Klagen hat er sich wiederholt zum Austrag vor dem Papst, dem Kaiser, den beiden Erzbischöfen von Trier oder Köln oder einem von ihnen, oder den Hauptleuten und Räten des Schwäbischen Bundes erboten, wozu er auch ihn ermächtigt, damit allgemein bekannt würde, daß man ihn (Erzbischof Berthold) zu Unrecht verklage, weshalb er ihn (Landgraf Wilhelm) über diesen Streit (Handel) unterrichtet habe mit der Bitte, wenn über ihn (Erzbischof Berthold) anders berichtet werde, dem keinen Glauben zu schenken und dem Pfalzgrafen gegen das Mainzer Stift keine Hilfe zu leisten.
D. zu Mainz in der St. Martinsburg montags nach Jubilate a. etc. 94.
Nachweise

Weitere Personen

Mainz, Erzbischöfe, Berthold von Henneberg · Hessen, Landgrafen, Wilhelm III. · Pfalz, Kurfürsten, Philipp der Aufrichtige

Weitere Orte

Mainz, Stift · Pfalz, Kurfürsten · Bingen, Wochenmarkt · Bingen, Verladekran · Mainz, Domkapitel · Köln, Erzbischöfe · Treir, Erzbischöfe · Goldbach · Koblenz · St. Rupertsberg, Kloster · Bingen, St. Rupertsberg · Bingen · Schwäbischer Bund · Mainz, St. Martinburg

Sachbegriffe

Erzbischöfe · Streitigkeiten · Briefe · Klagen · Vergleiche · Pfalzgrafen · Irrungen · Märkte · Wochenmärkte · Stifte · Städte · Handwerk · Gewerbe · Straßen, Sperren von · Märkte, Behinderung von · Dörfer · Märkte, neue · Türme · Gräben · Befestigungen · Domkapitel · Händler · Kräne · Ladekräne · Wein, Verladen von · Wein, Verschiffen von · Schiffahrten · Wagen · Transportmittel · Geistliche · Klöster · Klöster, Erneuerung von · Nonnen · Kaiser · Schutz und Schirm · Renten, Entziehen von · Befestigungen · Klosterreformen · Verteidigungsbauten · Schiedsgerichte · Schiedsleute · Räte · Baukosten · Pulver · Pforten, Verschrauben von · Bauten, Sprengen von · Grenzsteine · Schäden · Päpste · Hauptleute · Schwäbischer Bund

Textgrundlage

Stückangaben, Regest

Demandt, Regesten 2.2

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 7149 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/7149> (Stand: 29.03.2024)