Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


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Sommerfrische an der Aisne 1918

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Beim Lausen im Moreautal (8. Komp.)

↑ Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917

Abschnitt 1: Unterbringung und Hygiene

[284-286]
Noch einiges vom Dienst und Leben hinter der Front

Als wir im Januar 1915 aus den Ostargonnen, wo unser Aufenthalt zuletzt ununterbrochen im Graben war, herausgezogen wurden, um am Westrand der Argonnen eingesetzt zu werden, begann unser Leben [S. 285] sich in zwei bezw. drei Schichten abzuwickeln: Stellung und Ruhe oder Stellung, Bereitschaft und Ruhe.

Wenn wir aus Stellung kamen, was meistens spät in der Nacht war, wurde erst einmal richtig geschlafen. Unser Lager war im Anfang nicht allzu üppig: Papierschnitzel, Holzwolle oder, wenn es gut ging, etwas Stroh auf Steinfliesen oder Estrich, Tornister als Kopfkissen, eine Decke um sich herum gewickelt — und fertig war das Bett. Später wurden Knüppelgestelle in Form von Bettstellen, zwei Stockwerke hoch, hergestellt, damit man nicht unmittelbar am Fußboden zu liegen brauchte. Noch später gab es die bekannte „Drahtkommode". Der erste Tag der Ruhe galt vor allen Dingen der gründlichen Reinigung. Da Waschfrauen dem Regiment nicht zugeteilt waren, mußten wir wohl oder übel unsere Sachen selbst waschen, wenn unsere „Kleintierzucht" nicht allzusehr überhand nehmen sollte. Größere Rollmops- oder Bratheringsbüchsen mit abgeschnittenem Deckel waren unsere Waschkessel. Seifenpulver oder Bleichsoda wurde nicht etwa in die Büchsen getan, sondern nur außen daran geschrieben.

Daß die Wäsche nachher etwas weniger als blendend weiß war, wer will das bezweifeln! Die Hauptsache war, daß die Mitbewohner in Hemd und Hose dadurch weniger wurden. Später wurden Badeanstalten, auch die bekannten „Lausoleums" errichtet. Doch die Reinigung hielt leider jedesmal nicht lange vor. Da außerdem Kleidungsstücke in dem heißen Kessel recht unansehnlich wurden, gab mancher, wenn er einmal einen neuen Rock oder eine neue Hose empfangen hatte, die Stücke lieber nicht zum Entlausen hin. Neben Läusen sorgten Flöhe, diese braunen Springer, für weitere Abwechslung und Beschäftigung. Sie standen schon zugweise auf [S. 286] den Hinterbeinen bereit, wenn sich der müde Landser1 aus sein Lager zur Ruhe legen wollte. Ruhe, welch schönes Wort! Aber diese hüpfenden Gesellen ließen sie uns nicht immer finden. Im Sommer waren diese Luders besonders blutdürstig. Gar manchmal konnte man nachts in irgendeiner Ecke des Unterstandes ein Licht aufblitzen sehen und bei dessen Schein die verschiedenen Adams, das Hemd in der Hand, auf Jagd gehen sehen. Arg schlimm waren diese Hopser im Moreautal. Hier respektierten sie nicht einmal die einzelnen Dienstgrade. Deshalb erschien eines Tages ein Befehl, daß die untersten Grade der Portepeeträger2 die Wannenbäder nicht mehr wie bisher benutzen durften. Es war nämlich vorgekommen, daß beim Baden einige braune Springer ihren bisherigen Nährvater treulos verlassen und zu einem höheren Rang übergesprungen waren. Selbstverständlich waren sie hier sofort als Feldwebelflöhe erkannt worden und hatten den erwähnten Befehl veranlaßt.


  1. Bezeichnung für den Heeressoldat unterer Dienstgrade, im Ersten Weltkrieg nur vereinzelt gebraucht.
  2. Riemen mit farbigen Troddeln, ursprünglich an dem Säbel oder Degen befestigt, um ein Verlieren der Waffe zu verhindern. Während des Ersten Weltkriegs war der Portepee als fester Bestandteil der Uniform ein äußeres Erkennungszeichen der Offiziere und ihrer Kompaniezugehörigkeit. Der Begriff hat sich bis heute im Sprachschatz der Bundeswehr gehalten. Vgl. Bundeswehr von A-Z, Stand: 5.12.2014.

Personen: Schulz, Heinrich
Orte: Argonnen · Moreautal · Verpel
Sachbegriffe: XVI. Artillerie Kommando · Acetylsalicylsäure · A.O.K. · Flöhe · Hygiene · Kampfeinsatz · Kleidung · Läuse · Ruhezeit · Ungeziefer · Schützengräben · Hygiene · Wäsche · Entlausen
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917, Abschnitt 4: Unterbringung und Hygiene“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/55-1> (aufgerufen am 20.04.2024)