Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Soldaten Hans Kuhl aus Marburg und seiner Familie, 1914-1915

Abschnitt 1: 13.11.1914: Brief der Mutter aus Marburg an Hans Kuhl

[1-4] Marburg, den 13.11.14

Lieber Hans!

Heute hat sich Tante Änne nach deiner Adresse erkundigt, ich werde sie ihr noch heute noch schreiben. Eben war Herr Pf. Heerman hier und fragte welcher von seinen Söhnen dich habe tragen helfen. Sein Sohn Rudolf ist gefallen u. von seinem anderen Sohn kann er nirgends Auskunft bekommen. Dern's sind auch noch ohne Nachricht von Helfrich. Karl Becht hat heute aus Französischer Gefangenschaft [S. 2] geschrieben u. um 20 Mrk., eine Wolldecke und warmes Unterzeug gebeten. Heinrich Sauer, dem du mal schreiben kannst, hat mir gestern und heute geschrieben, er soll morgen von uns ein Packet bekommen. Seine Adresse: Jäger Sauer, I. Komp., 24. Jäg. 26. Armeekorps, 52 Division.

Wanger kam am vorigen Sonntag voll Freude als geheilt hier her um seinen Urlaub hier zu verleben, er hat einen Kranatstreifschuß im Rücken u. die Wunde soll noch tüchtig eitern, aber er dachte er könnte hier [S. 3] fertig behandelt werden. Um ½ 4 Uhr nachmittags bekam er vom Bezirksk. Nachricht um 4 Uhr nach Coblenz zu fahren, wohin Eure Garnison verlegt ist u. dort kommt ihr wahrscheinlich in Bürgerquartiere, bis ihr wieder hergestellt seid. Eine Versammlung, die hier angesagt war, wurde verboten, hier herrscht große Aufregung darüber. Conr. Hoffmann, Hans Müller / Bäcker bei Frau Weizel u. viele andere wurden sofort nach Coblenz abgeschoben, hier will man vermeiden, daß die Leute ausgefragt werde. [S. 4]

Also laß du dich erst gut heilen, dann mußt du zusehen über Marburg zu kommen u. wenn du auch nur 12 Stunden hier sein kannst. Von Tante Albrecht hast du wohl das Paket erhalten, grüße mir deinen kl. Infantristen, wie geht es ihm? Woher ist er, es wäre doch nett gewesen, wenn Ihr beide hättet mal herkommen können, na vielleicht läßt sich das nach dem furchtbaren Krieg mal einrichten. Gieb ihm von allem was du hast ab und vergiß die Dankbarkeit nicht. Wenn du wieder schreibst, dann bitte ein wenig manirlich u. nicht so schebb.

Leb nun wohl, sei innig gegrüßt von uns allen. Deine Mutter.


Erläuterungen: Der 20jährige Hans Kuhl aus Marburg war zum Reserve-Jägerbataillon Nr. 24 eingezogen worden. Zum Zeitpunkt des Briefes seiner Mutter lag er verwundet in einem Lazarett in Horchheim (heute Stadtteil von Koblenz).
Personen: Kuhl, Hans · Heerman, Pfarrer · Heermann, Rudolf · Dern, Helfrich · Becht, Karl · Sauer, Heinrich · Wagner, Soldat · Hoffmann, Conrad · Müller, Hans · Weizel, Frau · Kuhl, Henriette
Orte: Marburg · Frankreich · Koblenz · Horchheim
Sachbegriffe: Lazarette · Kriegsgefangene · Wolldecken · Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 24 · Kompanien · Armeekorps Nr. 24 · Division 52 · Verwundete · Bürgerquartiere · Versammlungsverbote · Feldpost · Feldpostbriefe
Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Soldaten Hans Kuhl aus Marburg und seiner Familie, 1914-1915, Abschnitt 4: 13.11.1914: Brief der Mutter aus Marburg an Hans Kuhl“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/54-1> (aufgerufen am 18.04.2024)