Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918

Abschnitt 10: Einführung der Fett-, Butter-, Fleisch- und Kartoffelkarten

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Einführung der Fett-, Butter-, Fleisch- und Kartoffelkarten

Bald nach Ausbruch des Krieges hatte der Staat angeordnet, daß alle Fetten Schweine geschlachtet werden sollten und daraus Dauerware wie Räuscherfleisch und Wurst hergestellt werden sollte. Dies war ein großer Fehler; denn die Dauerwaren wurden nicht richtig eingeteilt. Die Bauern konnten ihre Schweine nicht mehr so fett machen wie in Friedenszeiten, denn es fehlte ihnen an den neutigen Kraftfuttermitteln wie Gerste, Kleie, Roggen und Schrot. Auch mit den Kartoffeln konnten die Bauern nicht mehr wirtschaften wie so wollten; denn nur ein Teil war für die Verfütterung für die Schweine bestimmt. Unter solchen Umständen machte sich immer mehr der Mangel an Fett bemerkbar. Um nun eine gleichmäßige Einteilung des Fett- und Fleischvorrates zu haben, sah man sich genötigt, die Fett- und Fleischkarten einzuführen. –

[S. 28] Wie es mit den Fett und Fleisch war, so kam es auch mit der Butter. Die Bauern mußten oft ihre Kühe der Militärverwaltung übergeben. Ferner mußten viel Kälber geschlachtet werden aus Mangel an Fleisch. Dann kam keine Butter mehr aus dem Ausland. Dieses trug alles dazu bei, daß wir nicht mehr soviel Butter bekamen. Damit nun der kleine Vorrat eingeteilt wurde, sah sich der Magistrat genötigt, zur Butterkarte zur greifen. Von nun an erhielt jeder seine bestimmte Menge.

Mit dem Zucker mußten wir dieselbe Erfahrung machen. Deutschland ist bekanntlich das erste Zuckerland der Welt. Durch den Krieg waren wir aber völlig vom Welthandel abgeschlossen Darum mußten wir auf jede Weise suchen, unseren Nahrungsmittelbestand zu erhöhen suchen [!]. Weil nun die anderen Staaten keine Nahrungsmittel aus lieferten, brauchten wir ihnen auch keine zu liefern. In Friedenszeiten bauten wir viel Zuckerrüben an. Da wir aber jetzt auf uns selbst angewiesen sind, müssen wir stattdessen Getreide anbauen. Deshalb kam es auch, daß man die Zuckerkarte einführte.

Dadurch, daß viel Kartoffeln zu Kartoffelmehl verarbeitet wurde, und die Bevölkerung sich viel von Kartoffeln ernährte, trat auch bei der Kartoffel eine Knappheit ein. Um auch hier eine gleichmäßige Verteilung zu haben, führte man die Kartoffelkarte ein. Jede Person erhielt 10 Pf.


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Personen: Wiedemann, Klaus
Orte: Deutschland
Sachbegriffe: Fettkarten · Butterkarten · Fleischkarten · Kartoffelkarten · Kriege · Dauerwaren · Räucherfleisch · Würste · Bauern · Fettvorrat · Fleischvorrat · Butter · Militärverwaltung · Ausland · Nahrungsmittel · Welthandel · Zucker · Zuckerrüben · Kartoffeln · Kartoffelmehl · Bevölkerung · Knappheit
Empfohlene Zitierweise: „Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918, Abschnitt 18: Einführung der Fett-, Butter-, Fleisch- und Kartoffelkarten“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/13-10> (aufgerufen am 28.03.2024)