Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 29: Goldsammlung in Dieburg, französische Kriegsgefangene

[Nr. 29] Feldbrief vom 23. Januar 1916

Dieburg ist doch ein goldiges Städtchen. Das hat sich wieder in der letzten Woche gezeigt. Wie in allen hessischen Orten, so fand auch hier vom 9.—16. Januar eine Sammlung der Goldmünzen statt. Das Resultat war ganz erstaunlich. Es wurden von den Schülern der hiesigen Volksschule nicht weniger als 3050 M. zusammengebracht. Der Lohn für das Abliefern der Goldstücke war aber auch gar zu verlockend. Alle Kinder, die 20 M. in Gold zum Umtausch brachten, erhielten einen Tag schulfrei. Da war es ganz natürlich, daß sie die Eltern oder Großeltern oder Onkel und Tante so lange quälten, bis sie eine Doppelkrone erhielten. Manche brachten gleich mehrere Goldstücke, um sich die entsprechende Anzahl von schulfreien Tagen zu sichern.

Außer der Volksschule hat auch die Großh. Realschule Goldmünzen gesammelt und dabei 3400 M. ausgebracht. Voriges Jahr hat die Realschule schon einmal eine Sammlung veranstaltet, und die Lehrer der Volksschule haben persönlich bei den Bürgern das Gold umgewechselt. Ferner wurden ganz bedeutende Summen durch das katholische Pfarramt, die Stadtkasse usw. abgeliefert. Jetzt soll mir nur noch einmal einer sagen, daß Dieburg kein goldiges Städtchen sei!

Mittwoch 12. Januar kamen auch kriegsgefangene Franzosen hierher. Sie werden bei Loeb Lorch beschäftigt, der eine größere wöchentliche Fleischlieferung nach Frankfurt übernommen hat. Die Gefangenen, lauter Metzger, wohnen bei Bäcker Peter Hoffarth im Minnefeld. Vorläufig sind es nur 6 Mann, es sollen aber noch mehr kommen.

Jetzt haben wir Russen und Franzosen; es fehlen nur noch die Engländer. Dann hätten wir Vertreter unserer drei Originalfeinde. In Habitzheim und anderen Orten der Umgegend waren übrigens auch schon gefangene Engländer bezw. Irländer, die bei Landarbeiten Verwendung fanden.

Herr Bürgermeister Krausmann, der wegen Urkundenfälschung angeklagt worden war, wurde vom Gerichte freigesprochen.

Der Reservist Adam Antoni wurde durch Verleihung des eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Der Reservist Joseph Sterkel erhielt die hessische Tapferkeitsmedaille.


Personen: Ebersmann, Jakob · Lorch, Loeb · Hoffarth, Peter · Krausmann, Bürgermeister · Antoni, Adam · Sterkel, Joseph
Orte: Dieburg · Habitzheim
Sachbegriffe: Goldsammlung · Sammlungen · Goldmünzen · Schüler · Großherzogliche Realschule Dieburg · Volksschulen · Kriegsgefangene · Franzosen · Russen · Iren · Landwirtschaft · Reservisten · Eisernes kreuz · Hessische Tapferkeitsmedaille
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 16: Goldsammlung in Dieburg, französische Kriegsgefangene“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-29> (aufgerufen am 24.04.2024)