Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918

Abschnitt 22: Bericht vom 23. April 1918 (4)

[1123-1124] Die Kohlenversorgung für den Hausbrand war ungenügend. Nur der verhältnismäßig milde und frühzeitig zu Ende gegangene Winter hat größere Notstände verhindert. Die großen Städte wie Frankfurt a.M. und Wiesbaden haben große Mengen von Brennholz beschafft und an die Bevölkerung ausgegeben. Wenn es auch bei dem Waldreichtum des Regierungsbezirks an Brennholz noch nicht fehlt, so haben doch die Preise gegen früher eine ganz außerordentliche Steigerung erfahren.

Die Versorgung der Minderbemittelten mit Schuhwerk und Kleidern erfolgt planmäßig durch kommunale Altbekleidungsstellen. In einzelnen Städten sind [1124] für die Gesamtbevölkerung kommunale Schuhwerkstätten errichtet. In letzter Zeit hat sich ein großer Mangel an Hausgerät für neu zu gründende Haushaltungen herausgestellt. Die Lager an fertigen Möbeln sind so gut wie geräumt. Noch vorrätige Stücke sind im Preise um 200 bis 300 Prozent gestiegen. Um dem außerordentlich großen Bedarf an Wohnungseinrichtungen für Familien des Mittelstandes zu genügen, ist für den Regierungsbezirk Wiesbaden eine Nassauische Möbelvertriebsgesellschaft in der Bildung begriffen, deren Aufgabe es sein soll, einfache, aber gediegene Haushaltsmöbel zu günstigen Bedingungen und mäßigen Preisen zur Verfügung zu stellen. Ein großer Teil der Städte und Kreise des Regierungsbezirks ist an der Gesellschaft beteiligt. Der Absatz der Möbel soll durch Händler und Geschäfte zu den von der Gesellschaft vorgeschriebenen Preisen und Bedingungen erfolgen. Ein Drittel der Kaufsumme ist von den Käufern bar anzuzahlen, zwei Drittel werden zu günstigen Bedingungen gestundet, wofür die Bürgschaft von den an der Gesellschaft beteiligten Kreisen und Städten übernommen wird.

Trotz der knappen Ernährung waren die Gesundheitsverhältnisse im allgemeinen nicht ungünstig. Die im Sommer 1917 stark verbreitete Ruhr ließ im Oktober nach und kommt jetzt nur noch vereinzelt vor. Die Sterblichkeit bei älteren Leuten hat zugenommen.


Personen: Meister, Karl Wilhelm von
Orte: Frankfurt · Wiesbaden
Sachbegriffe: Kleidung · Krankheit · Kohleversorgung · Preissteigerung · Ruhr · Sterblichkeit
Empfohlene Zitierweise: „Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918, Abschnitt 6: Bericht vom 23. April 1918 (4)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/32-22> (aufgerufen am 25.04.2024)