Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918

Abschnitt 13: Bericht vom 23. April 1917 (3)

[1115] Die wichtigsten gewerblichen Erwerbszweige

In den wichtigsten gewerblichen Erwerbszweigen liegen die Verhältnisse seit Jahresbeginn unverändert. In den für die Rüstung des Heeres und die Versorgung der Bevölkerung arbeitenden Fabriken hat sich der Betrieb weiter verstärkt. Sehr störend ist im Februar der Kohlenmangel empfunden worden, auch die Höchster Farbwerke mußten mehrere Tage fast stilliegen. Abgesehen von einem Brandunglück in der Munitionsfabrik von D. Stempel in Frankfurt a.M., das aus noch nicht völlig aufgeklärter Ursache leider 58 Menschenleben forderte, sind nennenswerte Betriebsunfälle nicht zu vermelden. Die im Obertaunuskreis in Friedenszeiten so blühende Zwiebackindustrie wird ihre Tätigkeit zeitweise einstellen müssen, weil ihr jedenfalls bis zur neuen Ernte Mehl nicht zur Verfügung gestellt werden kann.

Die großen Blei- [und] Zinkerzgruben des Lahnbezirks mit ihrem erheblichen Brennstoffverbrauch zur Erzeugung der Betriebskräfte sind vor schweren Betriebseinschränkungen infolge des Lokomotiven- und Wagenmangels verschont geblieben. Nur das Hochofenwerk Oberscheld, welches zahlreiche Roteisenstembergwerke des Dillenburger Reviers mit elektrischem Strom versorgt, war infolge Koksmangel kurze Zeit nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. 1914 sind im Eisensteinbergbau des Oberlahnkreises 1.010 Arbeiter mit einer Förderung von rund 210 .000 Tonnen im Werte von 1.770.000 M. tätig gewesen. 1916 haben 1.420 Arbeiter 395.000 Tonnen im Werte von 4.390.000 M. gefördert. Im Bergrevier Weilburg ist ein Blei- und Kupfererzbergwerk, die Grube Königsholz bei Altweilnau (Kreis Usingen) wieder in Betrieb genommen worden. Die notwendige Steigerung der Manganerzeugung hat zur Wiedereröffnung einiger Manganerzgruben in den Gemarkungen Birlenbach1 und Nassau des Unterlahnkreises geführt. Die glänzenden Verhältnisse der mit der Erzeugung säure- und feuerfester Steine sich befassenden Industrie haben außerordentliche Wertsteigerungen der Tongruben des Unterwesterwaldkreises - bis zur 10fachen Höhe des Friedenspreises - zur Folge gehabt.

Der Gefahr einer dauernden Hochdrückung der Löhne versuchen die Verwaltungen der größeren Werke dadurch auszuweichen, daß sie den Arbeitern für die Dauer der Kriegsteuerung statt grundsätzlicher Erhöhung besondere Kriegs- und Familienzulagen gewähren. Auch für die Ernährung der Arbeiter wird neben der Hergabe von Fett aus der Hindenburgspende und den öffentlichen Zuweisungen seitens der Arbeitgeber vielfach noch besonders gesorgt. Zu Arbeitseinstellungen oder Unruhen ist es bis heute nicht gekommen.

Steuererträge in den Jahren 1913, 1914, 1915 und 1916

Die nachfolgende Liste gibt einen zur Vergleichung geeigneten Überblick über die wichtigsten Staatssteuererträge im Regierungsbezirk Wiesbaden während der letzten vier Jahre. Die Ziffern stellen aber lediglich das nackte Veranlagungssoll der ohne Berücksichtigung der später eingetretenen Zu- und Abgänge durch Zuzug, Ermäßigung im Rechtsmittelverfahren usw. Auch sind bei der Einkommen- und Ergänzungssteuer die Zuschläge außer Betracht gelassen worden, da diese in den letzten vier Jahren nicht in gleicher Höhe [1116] erhoben wurden, für die Angabe in einer vergleichenden Übersicht sich also weniger eignen.

[siehe Tabelle: in Vorbereitung]

v. Meister
Regierungspräsident


  1. Ort an der Lahn in Rheinland-Pfalz.

Personen: Hindenburg, Paul von · Meister, Karl Wilhelm von · Stempel, D.
Orte: Altweilnau · Birlenbach · Dillenburg · Frankfurt · Höchst · Nassau · Oberscheld · Usingen · Weilburg · Wiesbaden
Sachbegriffe: Bergbau · Farbwerke Höchst AG · Hindenburg-Programm · Löhne · Rüstungsindustrie · Spende · Steuer · Zwieback
Empfohlene Zitierweise: „Karl Wilhelm von Meister, Zeitungsberichte des Regierungspräsidenten in Wiesbaden an den Kaiser, 1914-1918, Abschnitt 17: Bericht vom 23. April 1917 (3)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/32-13> (aufgerufen am 25.04.2024)