Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Feldpostbriefe und -karten des Einjährig Freiwilligen Richard Weber aus Wächtersbach

Abschnitt 15: 17.12.1914: Letzter Feldpostbrief aus Russland

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17.12.19141

Liebe Mutter!

Will Dir gleich noch etwas mitteilen, was ich auf der Karte nicht schreiben will. Wir haben gestern wieder einen gewaltigen Sturmangriff auf die Russen erfolgreich gemacht. Uns gegenüber war eine kolossale Übermacht. Von uns wollte niemand aus dem Graben heraus. Ich wagte es, riß noch 50 bis 80 Kameraden mit vor durch lautes Hurrarufen und erreichte als erster den feindlichen Graben. Alle Russen hoben die Hände hoch und ergaben sich. Als ich im Graben drin war, wollte ein russischer Offizier mit seinem Degen mich erschlagen, habe ihm aber schnell meinen Spaten auf den Schädel geschleudert und ihn schwer verwundet. In diesem Graben habe ich zwei russische Maschinengewehre erobert, wofür unser Regiment 1.500 Mark erhält. Der kommandierende General hat mir die Hand geschüttelt und mich zum Eisernen Kreuz eingereicht, das ich dann in den nächsten Tagen erhalten werde. Zeige den Brief niemand, weil ich über diese Belohnung noch nicht genau orientiert bin. Nun lebt wohl, behüt‘ Euch Gott und fangt das Neue Jahr gut an. Mir geht es noch gut und fühle mich sehr gesund. Ich glaube, daß wir Ende dieses Monats wieder nach Frankreich müssen. Hier muß es bald ein Ende haben. Wenn dann die Post wieder besser in Gang ist, schreibt mir die nächsten Begebenheiten. Wir leben hier in der größten Einöde. Nichts weiter wie Sandebenen und kleine Strohgehöfte voll mit Ungeziefer. Wir liegen nur in Schützengräben. Das Wetter ist sehr günstig, nicht kalt, scheint jetzt etwas regnerisch zu werden. Genug davon, wir halten schon aus.

Ganz herzliche Grüße Euer Richard


  1. Die Einheit war von Lille nach Włocławek (polnische Stadt an der Weichsel) verlegt worden.

Personen: Weber, Richard
Orte: Włocławek · Polen · Russland · Frankreich
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Sturmangriffe · Infanterie-Regiment Nr. 168 · Russen · Schützengräben · Nahkampf · Maschinengewehre · Generäle · Eisernes Kreuz · Ungeziefer
Empfohlene Zitierweise: „Feldpostbriefe und -karten des Einjährig Freiwilligen Richard Weber aus Wächtersbach, Abschnitt 17: 17.12.1914: Letzter Feldpostbrief aus Russland“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/175-15> (aufgerufen am 24.04.2024)