Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918

Abschnitt 34: 11.8.1917: Brief des Wilhelm Böcher aus Ruppertsburg

[333-334]

Erläuterung:
Wilhelm Böcher wurde am 29. Januar 1898 in Ruppertsburg (heute Stadt Laubach, Landkreis Gießen) geboren. Nach den Eintrag im Geburtsnebenregister Ruppertsburg von 1898 war er der Sohn des Schmieds Wilhelm Böcher I.


11. August 1917.

Hoffentlich habt Ihr den Hafer alle gebunden? Wir haben hier auch meistens Regen, das ist ja ganz günstiges Wetter für die Schlacht in Flandern; da können die Engländer bei ihren Angriffen nicht viel erreichen, wir haben nun drei Jahre Krieg und stehen gegen die ganze Welt, aber trotzdem ist unsere Kraft ungebrochen. Hier im Westen haben unsere Feinde selbst mit dem unerhörtesten Menscheneinsatz bei ihren Angriffen nichts erreicht, und im Osten hat Hindenburg zu neuen, gewaltigen Schlägen ausgeholt. Ich meine, da brauchte die Heimat doch nicht kleinmütig zu sein und immer daran zu denken, auf jegliche Art sobald als möglich Frieden zu bekommen, was hat der Reichstag mir seiner letzten Friedenskundgebung erreicht? Nur Hohn und Spott hat er bei den Feinden geerntet. Ich freue mich nur, daß einige Parteien anderer Meinung waren. — Jetzt schon an die vielgepriesene, sogenannte Neuorientierung im Innern heranzugehen, ist verfehlt. Erst müssen wir unsere Grenzen nach außen sichern, und dann kann auch der innere Aufbau in Angriff genommen werden. Die Herrn im Reichstag scheinen ganz zu vergessen, daß es doch in erster Linie unsere Feldgrauen sind, die da auch ein gewichtiges wort mitzureden haben. Es wird noch zuviel unnützes Zeug im Reichstag [S. 334] geredet. Unsere Zeit braucht keine Reden, sondern Taten! Schwer ist der Krieg allerdings, und gewaltige Opfer werden von jedem einzelnen sowie von dem ganzen Volk gefordert, aber dafür erleben wir ja auch die größte Zeit, die unser Vaterland jemals durchgemacht hat. — Wenn wir vorzeitig den Kampf, der sich doch zweifellos zu unseren Gunsten neigt, aufgeben, dann sind wir nicht wert, eine Nation zu heißen; denn dann haben wir in der Welt verspielt, und Deutschland kommt wieder in eine ähnliche Lage wie nach dem Dreißigjährigen Krieg.


Personen: Böcher, Wilhelm · Hindenburg, Paul von
Orte: Ruppertsburg · Laubach
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Landwirtschaft · Feldgrau · Reichstag · Friedenskundgebungen
Empfohlene Zitierweise: „Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918, Abschnitt 1: 11.8.1917: Brief des Wilhelm Böcher aus Ruppertsburg“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/173-34> (aufgerufen am 16.04.2024)