Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918

Abschnitt 19: 23.5.1915: Brief des Eugen Gura aus Kassel

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Erläuterung:
Siehe die Erläuterung zum Brief vom 13. Februar 1915.


23. Mai 1915.

Es war ein Frühlingsmorgen, als wir über die bunten Wiesen heimkehrten, endlos hatten wir durch den Laufgraben gebraucht. An einem Hof, an einem Wasser, auf einem Baumstamm, unter Eichenbäumen rasteten wir. Es war wie eine Thüringische Mühle. Dann ging's heim. Gestern saßen wir unter einem duftenden Strauch im Garten, bleich schien der Mond. E. hatte stark Heimweh. Er ist ein siebzehnjähriger, lustiger, tief empfindender Mensch, ein guter Kamerad, der sich von Gr. dadurch unterscheidet, daß er nicht so korrigiert und einen die Überlegenheit nicht so sehr fühlen läßt. Gr. ist eingebildet und hart, äußert seine Gefühle mit keinem Wort, breit, blond, blauäugig, eine Art nordgermanischer Typ. Beide sind prächtige Exemplare jener jüngsten deutschen Jugend, jener Jugend des Wandervogels, die zur Einfachheit, zur Kraft zurückkehrt, die über Land zieht, im Freien übernachtet oder am bäuerlichen Herd die Sitten des Volkes belauscht, die stark und rein empfindet, aber wenig spricht. Sie wird sich verbluten, diese jüngste Jugend, aber ihr Geist wird leben.


Personen: Gura, Eugen
Orte: Kassel
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Laufgräben · Heimweh · Wandervogelbewegung
Empfohlene Zitierweise: „Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918, Abschnitt 6: 23.5.1915: Brief des Eugen Gura aus Kassel“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/173-19> (aufgerufen am 25.04.2024)