Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918

Abschnitt 7: 30.10.1914: Brief des Friedrich Tröller aus Merlau

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Erläuterung:
Friedrich Tröller wurde am 11. Dezember 1876 in Merlau (heute Gemeinde Mücke, Vogelsbergkreis) geboren.


Santes1, 30. Oktober 1914

Hätte gern schon längst einen Brief geschrieben, aber die Zeit erlaubte es nicht, und wenn manchmal die Zeit da war, dann war ich so müde zum Umfallen und Herz und Sinnen waren nicht beieinander zum Schreiben. Ach was ist das Jammer und Elend hier in Frankreich durch diesen unglücklichen Krieg! Kommt man durch ein Dorf, so stehn die Mütter in den Türen mit einem kleinen Kind auf dem Arm, und die andern stehn daneben und halten sich an der Mutter und schauen die fremden Soldaten neugierig an. Vorige Woche machten wir bei einem Dorf Halt, da standen auch Frauen und Kinder, es zog mich zu ihnen hin, ich umfaßte das Kleine, es war so klein wie Anna, und hob es in die Höhe. Die Frau schaute mich mit Tränen in den Augen an, ich verdeutschte es ihr, daß ich auch solche zu Hause hätte, sie antwortete mir, daß ihr Mann auch parti guerre sei, d.h. er ist auch im Krieg. Und keine Nachricht hat sie von ihm erhalten, es ist schrecklich. So geht es beim Feind und beim Freund.


  1. Ort in Nordfrankreich im Département Nord.

Personen: Tröller, Friedrich
Orte: Merlau · Mücke · Santes
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Briefeschreiben · Zivilbevölkerung
Empfohlene Zitierweise: „Rudolf Hoffmann, Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918, Abschnitt 1: 30.10.1914: Brief des Friedrich Tröller aus Merlau“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/173-7> (aufgerufen am 16.04.2024)