Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


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Pflugarbeiten (Stoppelschälen) in Blasbach

↑ Christian Heinz, Erinnerungen eines Landwirts in Blasbach an Krieg und Nachkriegszeit, 1914-1922

Abschnitt 1: Kriegsbeginn, Probleme der Landwirtschaft 1914 und 1915

[220-221]
Die Mobilmachung Deutschlands erfolgte am 2. August 1914. Alle aktiven Soldaten und Reservisten meldeten sich bei ihren Dienststellen. Der Landsturm und die Landwehr, Männer bis zu 45 Jahren, wurden aktiviert. Nur die im Bergbau, in der Landwirtschaft und in kriegswichtigen Betrieben Tätigen wurden „reklamiert“. Alle, die noch nicht gedient hatten, wurden einer erneuten strengen Musterung unterzogen, und viele von ihnen mußten daraufhin einrücken. Schon im Frühjahr 1915 machte sich durch den Krieg eine Teuerung im Alltag bemerkbar. Ab 15. Februar wurden jeder Person 18 Pfund Korn für einen Monat zugeteilt, was pro Kopf und Tag ½ Pfund Brot ergab. Die Preise für das Schlachtvieh zogen an, und es wurden für den Zentner Schlachtgewicht 110,- bis 120-Mark gezahlt. Die Eier wurden mit 10 bis 15 Pfennigen pro Stück gehandelt.

Das Jahr 1915 hatte einen so trockenen Sommer, daß die Dickwurzpflanzen mit Wasser gesetzt werden mußten. Durch die „Mistgeize“ gingen viele Pflanzen ein und mußten zum Teil zwei- oder dreimal nachgesetzt werden. Das gesamte Heu konnte - dank der unermüdlichen Sonne - innerhalb von 8 Tagen eingebracht werden. Kurz vor dem Kornschneiden regnete es zwar ein paarmal, aber es blieb doch weiterhin trocken. Gerste und Hafer blieben im Wuchs so zurück, daß sie zur Ernte nicht geschnitten werden konnten sondern gerupft werden mußten. Als das Getreide dann aber zum Trocknen ausgebreitet war, regnete es so, daß die Bauern die Frucht kaum einbringen konnten. Die Kartoffelernte fiel im Herbst dieses Jahres gut aus. Es konnten viele Kartoffeln verkauft werden, die pro Zentner 3,50 bis 4 - Mark erbrachten. Im November kam es überraschend zu einer strengen Kälte, so daß Tausende von Zentnern Kartoffeln während des Eisenbahntransportes [S. 221] erfroren sind. Im Frühjahr 1916 trat hierdurch ein spürbarer Mangel ein. Im zweiten Kriegsjahr kam es wiederum zu einer Teuerung. Für das Lebendgewicht des Rindviehs wurden pro Zentner 80- bis 110 - Mark gezahlt, für das Pfund Butter 1,80 bis 2,20 Mark, und die Eier berechnete man mit 20 bis 25 Pfennig pro Stück. Für Personen, die kein Korn hatten, wurden Brotmarken ausgegeben. Diese Marken galten jeweils für 14 Tage und mußten dann beim Ortsvorsteher durch neue ersetzt werden. Auch Mahlkarten für das Korn wurden eingeführt, auf denen der Müller genau vermerkte, wieviel Korn angeliefert worden war und welche Menge Mehl er dafür ausgeliefert hatte. Die Polizei führte sogar in den Bauernhäusern Kontrollen durch, ob die Leute nicht evtl. Korn zurückbehalten hatten. Wenn dies der Fall war, wurde es beschlagnahmt und eine empfindliche Strafe verhängt.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die über der erlaubten Pro-Kopf-Menge lagen, mußten abgeliefert werden und wurden wie folgt angerechnet: Korn mit 12,- Mark, Hafer mit 15,- Mark und Kartoffeln mit 5,- Mark je Zentner. Da die Kartoffeln sehr knapp waren, wurden auch diese Bestände in den Kellern kontrolliert, denn pro Person durften nur 2 Pfund (gerechnet für einen Tag) behalten werden.


Personen: Heinz, Christian
Orte: Blasbach
Sachbegriffe: Mobilmachung · Reservisten · Landsturm · Landwehr · Bergbau · Landwirtschaft · Kriegswichtige Betriebe · Musterung · Teuerung · Preisentwicklung · Witterung · Erntearbeiten · Kartoffeln · Brotmarken · Polizei
Empfohlene Zitierweise: „Christian Heinz, Erinnerungen eines Landwirts in Blasbach an Krieg und Nachkriegszeit, 1914-1922, Abschnitt 13: Kriegsbeginn, Probleme der Landwirtschaft 1914 und 1915“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/23-1> (aufgerufen am 23.04.2024)