Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Der erste Kriegsmonat im Offenbacher Abendblatt, August 1914

Abschnitt 19: 3.8.1914: Gewerkschaften unterstützen Arbeitsvermittlung


Eine Aktion zur Arbeitsvermittlung auf dem Lande mit Unterstützung der Gewerkschaften.

In der gegenwärtigen Situation leidet die Landwirtschaft unter großem Mangel an Arbeitskräften. Viele in Deutschland beschäftigten ausländischen Landarbeiter sind in ihre Heimat zurückberufen worden.
Die Ernte steht reif auf dem Felde. Die Einbringung der Ernte ist nicht allein für die Landwirtschaft eine dringende Frage, sondern die Nichteinbringung der Ernte würde im Kriegszustande eine Hungersnot im Gefolge haben. Dies zu vermeiden liegt im Interesse auch der Arbeiterschaft.
In dieser außerordentlich mißlichen Lage, in der sich die Landwirtschaft befindet, hat das Reichsamt des Innern, anscheinend im Einverständnis mit den übrigen Bundesstaaten, Schritte eingeleitet, um die in der Industrie frei gewordenen Arbeitskräfte für die Landwirtschaft nutzbar zu machen.
Es ist beabsichtigt, auch eventl. die Frauen und Kinder der im Felde stehenden für diese Arbeiten heranzuziehen. Das Reichsamt des Innern hat zu diesem Zwecke mit den Gewerkschaften verhandelt.
Die Generalkommission hat durch ihre Vertreter bei dieser Verhandlung erklären lassen, daß sie diese Aktion unterstützt. Im gleichen Sinne hat auch eine am Sonntag nachmittag tagende Konferenz der Vorstände der deutschen Gewerkschaften beschlossen. Bei der Erörterung im Reichsamt des Innern ist von Vertretern der Generalkommission erklärt worden, daß dieses Unternehmen nur Aussicht auf sicheren Erfolg hat, wenn durch einen Normalvertrag die Löhne festgesetzt und die Arbeiter nicht unter die Bestimmungen der Gesindeordnung gestellt werden. Die Arbeitsvermittlung ist so gedacht, daß die rein mechanische Vermittlung durch die öffentlichen Arbeitsnachweise erfolgt, daß die Vermittlung aber nur dann geschieht, wenn der Landwirt die im Normalvertrag festgesetzten Löhne und Arbeitsbedingungen anerkennt. Bei der Annahme und Uebersiedelung der Arbeiter nach dem Lande werden Funktionäre der Gewerkschaften, die die Arbeitsvermittlung leiten, diesen mit Rat und Tat zur Seite stehen und dauernd auch mit ihnen in Verbindung bleiben, um die bestimmten Löhne und Arbeitsbedingungen zu überwachen.

[Offenbacher Abendblatt vom 3. August 1914]


Sachbegriffe: Zeitungen · Offenbacher Abendblatt · Gewerkschaften · Arbeitsvermittlung · Arbeitslosigkeit · Landwirtschaft · Erntearbeiten · Ausländische Arbeiter · Landarbeiter · Reichsamt des Innern · Frauenarbeit · Kinderarbeit · Gesindeordnung · Löhne
Empfohlene Zitierweise: „Der erste Kriegsmonat im Offenbacher Abendblatt, August 1914, Abschnitt 2: 3.8.1914: Gewerkschaften unterstützen Arbeitsvermittlung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/161-19> (aufgerufen am 24.04.2024)