Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919

Abschnitt 16: Ermattung der Truppen, Waffenstillstand und Rückzug

[47]
Unterdessen dauerten die Kämpfe im Westen an. Unter den größten Opfern mußte lange bestrittener und gehaltener Boden wie Champagne, Chemin des Dames1 und Nordfrankreich geräumt werden. Immer mehr gingen unsere Truppen zurück, und man sprach auch von einem Friedensangebot Deutschlands an unsere Feinde. Ludendorff wollte sie hartnäckig bekämpfen, was uns zum großen Schaden wurde. Amerika führte immer neue frische Truppen ins Feld, und unsere Heere waren nach jahrelangen schrecklichen Kämpfen und größten Entbehrungen nicht mehr widerstandsfähig genug, gegen ein solches Riesenheer mit Erfolg zu kämpfen. Die Stimmung war im Lande und im Heere vollständig abgeflaut. Eine Strömung machte sich geltend gegen die alten Befehlshaber. Die Truppen wollten einfach nicht mehr! Das Morden sollte ein Ende haben. Unsere Regierung hatte inzwischen auch umgelernt. An die Stelle Hertlings2 als Reichskanzler trat Prinz Max von Baden3, der schon längst als demokratischer Mann bekannt war und schon früher seine Bereitwilligkeit zu einem Verständigungsfrieden bezeugt hatte. Unter dem Druck der bekannten Verhältnisse bat unsere Regierung nun um einen Waffenstillstand. Dieser wurde denn auch am 11. November 1918 geschlossen. Zu welchen harten Bedingungen brauche ich hier nicht zu erwähnen, das wird die Geschichte erzählen. Die härteste dieser Bedingungen war, daß wir unsere Heere bis zum Dezember aus den besetzten Teilen Frankreichs und Belgiens bis 30 km westlich vom Rhein4 zurückziehen mußten. Man denke sich, dieses Riesenheer in solch kurzer Zeit über den Rhein zu schaffen. Es war eine Aufgabe, wie sie selten die Weltgeschichte gesehen hat. Und doch ist sie glänzend gelöst worden. Allerdings mußten wir schon eine große Entschädigung bezahlen und zwar in Material und Maschinen (5000 Lokomotiven, 15000 Eisenbahnwagen, landwirtschaftliche Maschinen, U-Boote, Kriegsschiffe und Handelsschiffe etc., alles für den Waffenstillstand).


  1. Die Kämpfe vom Frühjahr 1917 am Chemin des Dames, einem Höhenzug an der Aisne in Nordfrankreich, gehören zu den blutigsten Materialschlachten an der Westfront.
  2. Georg von Hertling (1843-1919), Reichskanzler von 1. November 1917 - 30. September 1918.
  3. Prinz Max von Baden (1867-1029), Reichskanzler vom 3. Oktober - 9. November 1918.
  4. Gemeint ist: östlich des Rheins.

Personen: Zölzer, Heinrich Carl · Ludendorff, Erich · Hertling, Georg von · Max, Baden, Prinz
Orte: Buchenau · Champagne · Chemin des Dames · Nordfrankreich · USA
Sachbegriffe: Friedensangebote · Stimmungslage 1918 · Demoralisierung des Heeres · Friedenssehnsucht · Waffenstillstand · Truppenrückzug · Lokomotiven · Eisenbahnwagen · U-Boote · Kriegsschiffe
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919, Abschnitt 5: Ermattung der Truppen, Waffenstillstand und Rückzug“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/20-16> (aufgerufen am 29.03.2024)