Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919

Abschnitt 8: Mangelsituation, Kriegsanleihe, Sommeoffensive

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Da unser Vaterland von anderen Ländern abgeschlossen war, so trat bald Mangel an Kaffee, Tee und Kakao ein. Der Ersatz von Tee kann beschafft werden durch das Sammeln und Trocknen der jungen Blätter von Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren und Waldmeister, letzteres nur bis zur Blütezeit. Die Lehrer und die Schüler der 1. und 2. Klasse gingen an zwei Nachmittagen (18. und 22. Mai) in den Wald. Bald waren alle Körbe voll. Auf dem Schulboden wurden sie gelagert, woselbst die jungen Blätter getrocknet wurden.

Mitte Juli 1916 kamen in unsere Gemeinde sechs Ferienkinder. Diese Kinder litten an Unterernährung, sie waren von der Schule ausgewählt worden und sollten sich auf dem Lande wieder erholen.

An der vierten Kriegsanleihe waren unsere Schüler auch beteiligt. Montag, den 20. März, war der Tag der Zeichnung. Es konnte von einer Mark ab steigend abgeliefert werden. Jedem Zeichner (Schüler) wurde eine Bescheinigung ausgestellt, und er kann gegen Rückgabe dieser Urkunde zwei Jahre nach dem Kriege den Betrag nebst Zinsen zurückerhalten. Die Zeichnung betrug in unserer Schule 3805 Mark. Bei allen Kriegsanleihen war die Zeichnung in Buchenau sehr rege. In unserer Darlehnskasse wurden jedesmal über 30000 Mark gezeichnet. Viele haben auf der Post und an anderen Stellen ihr Geld gezeichnet.

Gegenwärtig stehen wir unter dem Eindrucke der großen Offensive unserer Feinde, die in Frankreich (Somme) und in Rußland gegen uns tobt. Beiden Offensiven haben unsere tapferen Heere standgehalten. Wohl haben die Franzosen und Engländer unsere Linien an einigen Stellen an der Somme eingedrückt, aber von einem Durchbruch kann keine Rede sein1. Indessen haben sich auch die Rumänen unseren Feinden angeschlossen. Anfangs drangen die treulosen und ländergierigen Rumänen siegreich in Siebenbürgen vor, aber bald mußten sie der Tapferkeit der verbündeten Truppen weichen. Innerhalb drei Monaten war die Hälfte von Rumänien mit der Hauptstadt Bukarest erobert.


  1. In der Schlacht an der Somme versuchten große französische und englische Einheiten in einer Offensive die deutschen Truppen zurückzudrängen. Bei den vom 1. Juli - 18. November 1916 geführten schweren Kämpfen, durch die es zu keiner entscheidenden Wende des Stellungskrieges kam, wurden rund 1 Million Soldaten beider Seiten getötet, verwundet oder gerieten in Gefangenschaft. Die Schlacht an der Somme gilt als die verlustreichste Schlacht des Ersten Weltkriegs.

Personen: Zölzer, Heinrich Carl
Orte: Buchenau · Frankreich · Russland · Somme (Fluss in Frankreich) · Siebenbürgen · Rumänien · Bukarest
Sachbegriffe: Versorgungslage · Kaffee · Tee · Kakao · Sammelaktionen · Schüler · Lehrer · Ferienkinde · Unterernährung · Kriegsanleihen · Darlehenskassen · Sommeschlacht <1916>
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919, Abschnitt 20: Mangelsituation, Kriegsanleihe, Sommeoffensive“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/20-8> (aufgerufen am 28.03.2024)