Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 9: Französische Kriegsgefangene in der Landwirtschaft

[Nr. 9] Feldbrief vom 18. April 1915

In der letzten Woche hatten wir hier recht schönes Wetter. Die Sonne schien schon so warm, daß man sich in den Vorsommer versetzt glaubte. Die Fliederbüsche (Nägelchen), Stachel- und Johannesbeeren haben bereits grüne Blättchen, und die Aprikosenbäume stehen in völligem Blütenschmuck da. Viele Dieburger benutzen die warmen Tage, um Frühkartoffeln zu setzen. Einige besondere Schlauberger haben dieses Geschäft schon vor drei Wochen besorgt. Sie wollen natürlich am frühesten die köstliche Frucht ernten. Wenn nur General Winter ihnen keinen Strich durch die Rechnung macht!

Auch die Darmstädter find schon fleißig an der Bestellung der Kartoffeläcker. Die gefangenen Franzosen helfen dort eifrig. Dieser Tage fuhr ich von Darmstadt nach Dieburg und sah auf beiden Seiten der Bahn die Franzmänner, deren rote Hosen weithin leuchteten, emsig bei der Arbeit. Ich halte dies für ganz recht. Helfen sie unsere Kartoffeln essen, so sollen sie auch helfen bei der Arbeit.

Wir haben hier in Dieburg zwar keine Franzosen, die uns bei der Bestellung der Felder unterstützen. Dafür muß halt alles arbeiten, was nur arbeiten kann. Mädchen und Frauen und Kinder rühren fleißig die Hände, um zu zeigen, daß sie auch etwas leisten können. Die Bauersleute, die Zeit haben, für andere noch ein paar Morgen Äcker zu bauen, könnten vier Hände zur Arbeit brauchen. So viel werden sie in Anspruch genommen. Die Pferde müssen noch einmal so viel leisten als früher und nicht selten find es gerade solche, die eigentlich längst in dem wohlverdienten Ruhestand leben sollten. Diejenigen Landwirte, deren Rindvieh zur Feldarbeit angelernt ist, sind noch am besten dran. Wenn die Kühe auch etwas langsamer arbeiten, so kommen sie schließlich doch auch zum Ziel.

Ihr seht also, daß es auch mit dem Feldbau hier ganz gut geht. Ihr braucht Euch deshalb keine Sorge zu machen. Es bleibt nichts unbebaut liegen. Hoffentlich läßt der Friede nicht mehr so lange auf sich warten, so daß Ihr bei der Kartoffelernte wieder helfen könnt.


Personen: Ebersmann, Jakob
Orte: Dieburg
Sachbegriffe: Witterung · Kartoffeln · Kriegsgefangene · Franzosen · Frauenarbeit · Kinderarbeit · Landwirtschaft
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 9: Französische Kriegsgefangene in der Landwirtschaft“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-9> (aufgerufen am 20.04.2024)