Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


Inhalt

  1. Kriegsbeginn, Einberufungen, Gefallene des Orts
  2. Ernährungslage, Sammelaktionen, Dienstende

↑ Heinrich Frey, Schulchronik von Dillheim,1914-1920

Abschnitt 1: Kriegsbeginn, Einberufungen, Gefallene des Orts

[76-77]
Schulchronik, bezugnehmend auf den Weltkrieg

Verfasser dieser Zeilen las am 29. Juni 1914 am Rathause zu Herborn folgendes Telegramm: “Der österreichische Thronfolger Erzherzog Ferdinand und seine Gemahlin sind in Serajewo einem Mord zum Opfer gefallen.” Diese Nachricht gab eine unheimliche Schwüle in ganz Europa. Sofort erschienen Tagesblätter mit der Überschrift: “Europas Schicksalsstunde, Europa in der Entscheidung”. Mit dem 1. August vollzog sich die Mobilmachung und der Aufmarsch der Truppen durch die glänzenden Leistungen unserer Eisenbahn wie ein ohne Störung ablaufendes Uhrwerk. Am 2. August, an einem Sonntag, empfingen die ausziehenden Truppen das heilige Abendmahl. Mit dem 3. August nahmen unsere Krieger Abschied. Es waren Wilhelm Trauthig, Wilhelm Gerhard, Wilhelm und Hermann Leidolf, Heinrich Zell, Wilhelm Spies, Heinrich Keller, Georg Kniese, Friedrich und Wilhelm Zell, Karl Sames, Heinrich Eckhardt, Friedrich und Wilhelm Müller, Fritz und Heinrich Schäfer, Heinrich Hachenbach, Heinrich und Karl Henrich, Theodor und Martin Spehr, Söhne vom damaligen Pfarrer, Viktor Stützel, Vater von 8 Kindern. Nun mußte auch die Schule Beziehung zum Krieg nehmen. Weil man in der Ernte stand, gab es sofort Ferien, damit die Kinder die abziehenden Brüder und Väter bei den Feldarbeiten unterstützen sollten. In dieser guten Absicht machte man unter der Schuljugend die Beobachtung, daß sie in dem Kriegsleben ungezogen und unbotmäßig wurden, weßhalb man zu der Ansicht kam, den Unterricht wieder zu beginnen. Jedoch wurde den Eltern Rechnung getragen, indem den Kindern hinlänglich Urlaub gestattet wurde, ln den mehrklassigen Schulen wurde der Unterricht auf den Vormittag gelegt, wieder andere Schulen hatten von 8 — 1 Uhr Unterricht. Am 8ten August traf die erste Siegesnachricht ein; es war die Eroberung von Lüttich (am 7. August).

Der Schuljugend war es eine Freude, die Siegesglocken läuten zu dürfen. Nach kaum 4 Wochen liefen Todesnachrichten ein: Wilhelm Eckhardt kämpfte im September 1914 am Marne-Kanal, er wurde hier schwer verwundet und kam zur Pflege in das städtische Krankenhaus nach Wiesbaden, wo er starb. Die Eltern brachten seine Leiche nach Dillheim, wo er unter großer Beteiligung am 8. Oktober 1914 begraben wurde. Wieder nach 4 Wochen traf die Todesnachricht von Heinrich Hachenbach ein. Karl Sames kämpfte bei Zonebeeke1 und fiel am 21. Oktober 1914 und liegt bei Mosbede2 beerdigt. Erschütternd war die Nachricht im Februar 1915 von Viktor Stützel, Vater von 8 Kindern. Er wurde in Rußland verwundet und kam nach Königsberg zur Pflege, wo er starb. Auch er liegt auf hiesigem Friedhof beerdigt. Im Februar 1915 traf die Todesnachricht von Wilhelm Müller ein; er fiel in Frankreich.


  1. Zonnebeeke, Ort nordwestlich von Ypern, West-Flandern.
  2. Wahrscheinlich ist hier der nordwestlich von Zonnebeeke liegende Ort Moorslede gemeint.

Personen: Frey, Heinrich · Franz Ferdinand, Österreich, Erzherzog · Trauthig, Wilhelm · Gerhard, Wilhelm · Leidolf, Wilhelm · Leidolf Hermann · Zell, Heinrich · Spies, Wilhelm · Keller, Heinrich · Kniese, Georg · Zell, Friedrich · Zell, Wilhelm · Sames, Karl · Eckhardt, Heinrich · Müller, Friedrich · Müller, Wilhelm · Schäfer, Fritz · Schäfer Heinrich · Hachenbach, Heinrich · Henrich, Heinrich · Henrich, Karl · Spehr, Theodor · Spehr, Martin · Stützel, Viktor
Orte: Dillheim · Herborn · Lüttich · Marne-Kanal · Wiesbaden · Zonnebeeke · Ypern · Belgien · Russland · Königsberg · Frankreich
Sachbegriffe: Kriegsbeginn · Telegramme · Mobilmachung · Attentat von Sarajevo · Eisenbahn · Abendmahl · Schulen · Landwirtschaft · Erntearbeiten · Jugend · Disziplinlosigkeit · Schulunterricht · Siegesnachrichten · Glockenläuten · Verwundete · Krankenhäuser
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Frey, Schulchronik von Dillheim,1914-1920, Abschnitt 12: Kriegsbeginn, Einberufungen, Gefallene des Orts“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/132-1> (aufgerufen am 19.04.2024)