Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

(1589)

Zunftbrief für die Leinenweber in Kassel

Regest-Nr. 16647

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Abschriften: Staatsarchiv Marburg, Urk. 12, Nr. 130, Reinschrift des Konzepts, Papier; Staatsarchiv Marburg, Urk. 12, Nr. 53, Konzept, Papier. Fälschlich mit Datum des Zunftbriefs Landgraf Philipps von 1528 Januar 30. Angeblich auf Grundlage einer Abschrift der Zunfturkunde von 1421, die aber stark verändert ist.
Regest
Landgraf Wilhelm IV. von Hessen gibt den Leinwebern in Kassel einen Zunftbrief.
Originaltext
Wir Wilhelm etc. thun kund hieran offendlich vor uns und unsere erben bekennende, nachdem uns durch absterben der löblichen fursten zu Hessen unser altern, oberaltern und vater sehliger hochlöblicher gedechtnuß die zunft, gilde und innunge in unsern furstentumben, landen und gebieten verledigt und heimbgefallen seind und zu unserm gnedigen gefallen die wiederumb zu erneuern gestanden, das wir demnach uff underteniges bitlichs ansuchen unser lieben undertanen und getreuen der leinweberzunft alhier in unser stadt und ampt Cassel aus sondern gnaden darmit wir ihnen geneigt seind und umb sonderlich ihres nutzen und besten willen ihnen ihre zunft, bruderschaft und innunge erneuert und verbeßert und tun das hiermit und in craft dießes briefs in aller massen solchs hernach geschrieben stehet.
1. Erstlich wer sich dieses handwerks und bruderschaft gebrauchen will, der soll ein eingeseßener burger zu Cassel sein oder soll zu stund daselbst burger werden und soll ein recht ehekind sein, seine ehre wol bewart haben, das handwerk wol konnen und die bruderschaft und innunge keufen umb 6 gulden, solch geld uns und unsern erben halb, unser stadt Cassel zu ihrem baue ein viertel und dem handwerk ein viertel werden und gefallen soll und dartzu geben einen zober biers dem handwerk, ein pfund wachs in gotscasten und dem meister ein stubichen weins und ihrem knecht sechs pfennige und soll die innung keuffen zu den handwerksmeistern wann sie bey einander sein und zu niemands mehr.
2. Dieße bruderschaft und innunge sollen alle ihre söhne die ehekinder sein zumal mit ihnen gebrauchen gleicher weyß als sie, also das sie burgerrecht darvon tun.
3. Nehme auch einer wer der were eines meisters tochter oder deßen verlaßene wittibe von dem handwerk ehegenand und wolte sich des handwerks gebrauchen und antreyben, der soll die bruderschaft und innung halb keufen als vorgeschrieben stehet und das ander halbe teil haben von der tochter oder der witwehen.
4. Da auch ein auslendischer gesell sich in dieße bruderschaft zu geben bedacht, derselbe soll zuvorderst gnugsame urkunden bringen, das er von frommen eltern geboren, sein handwerk ufrichtig gelernet und also sein herkommen mit brieflichem schein belegen.
5. Wollte auch jemands er sey knecht oder magd dies handwerk lernen, der soll fromb und redlich sein und zu lehrgeld geben zwehen gulden, die uns halb, die ander helfte der stadt und dem handwerk zu gleichem teile [gefallen], den handwerksmeistern ein maß wein, dem handwerk ein zober biers und dem knechte sechs pfennige, ein pfund wachs in gottescasten. Mit seinem lehrmeister aber mag er ufs nechst er kan dingen und soll zwey jar lang das handwerk lernen.
6. Auch wer einen knecht seste, der des handwerks nicht wirdig were, der soll das verbuissen mit zwolf schilling pfenningen der vorgenanten were, uns, unser stadt obgenand und dem handwerk als vor underscheiden ist.
7. Auch so soll kein leinweber oder niemand von dem handwerke gehen in die hause und bitten das man mit ihme arbeyte, sondern ein iglicher soll laßen arbeyten wen er will. Wer das tet unter ihnen, der soll es verbuissen mit einem pfund wachs in gottescasten als dicke er das tete.
8. Gesinde das da stele, abtruge und nicht getreu were, das soll niemand halten under ihnen. Wer das hielte öffendlichen, der soll es verbuissen mit zwolf schillingen pfenning, uns, unser ehegenanten stadt und dem handwerk iglichem als vorgeschrieben stehet.
9. Auch soll kein leinweber mehr haben als vier getzaube oder stule darauf er arbeyte. Were da wurde funden von den meistern wan sie umbgiengen das er mehr hette, der solt das verbuissen je von einem stuel zwolf schillinge pfenninge, die sollen uns, unser ehegenanten stadt und dem handwerk gefallen sein iglichem als vor unterscheyden ist.
10. Auch soll niemand einen frembden laßen arbeyten auf seiner gezaube der in der innung nicht were sein werk. Wer dawieder tete, der soll es verbuissen mit zwolf schillinge pfennige, uns, unser stadt ehegenant und dem handwerk iglichem als vorgeschrieben stehet als dicke er das tete.
11. Wurde auch ein leinweber so nicht in dießer zunft tuch machen, derselbige soll solchs mit einem gulden verbußen.
12. Auch sollen sie verbieten unter ihnen das niemand duch machen soll das wandelbar sey und unbestendig. Wer von den meistern daruber funden wurde, der solt es verbuißen je von zwantzig elen funf albus pfenninge, uns, unser ehegenanten stadt und dem handwerke als vorgeschrieben stehet.
13. Bey weme auch die leinwebermeister tuch funden das nicht bereyt gnug wehre, der soll das je von einem rore mit einem albus verbuißen.
14. Auch sollen die leinweber so auf den dorfen sitzen in dem gerichte zu Cassel kein leinentuch machen zu kauf oder umb lohn er arbeyte dan dieselben breyte als zu Cassel.
15. Auch wan die meister fragen im handwerk umb bruche uf ihre ayde ob jemand bruchhaftig were und das jemand mit brechen besaget wurde, wer den strafete der soll verbrachen ein pfund wachs in gottescasten.
16. Wilche zeit auch die meister ihr handwerk verboten wißendlich, wer dan freventlich ausbleybet, der soll es verbuißen mit sechs pfennigen dem hantwerk.
17. Ein knecht der umb lohn arbeit so oft derselbig von einem meister zu einem andern zeucht soll er geben zwen pfenninge dem handwerk.
18. Auch soll niemand werken das der ander geworfen hat. Behielte der leinweber das aber uber sechs wochen, so mochte er das darnach arbeyten oder wer da wolte.
19. Auch soll tuch und garn unbekummert bleiben bey einem iglichen dieweil es die leinweber in ihren haußen haben.
20. Auch was die meister die leinweber frembdes werks arbeyten da sollen sie von haben die funften elen. Idoch sollen die der das werk eigen ist, mechtig sein die funften elen zo lösende umb ein neher geld dan ein frembder ob sie es gelustet.
21. Auch wo der leinweber zu Cassel selber leinwand gemacht hetten, das mögen die verkeufen oder verfuren wo oder wem sie das gelustet und mögen denselben leinwand die sie selber gemacht hetten in ihren hausen schneiden zu allen zeyten und uf allen freyen jahrmarkten. Es mögen auch die leinweber einer von dem andern leinwand keufen und denselbigen andern ihres gefallens wiederumb verkeufen und damit nichts verwirken.
22. Es soll auch niemand wer der sey in unser stadt und ampt Cassel leinengarn keufen, er sey dan ein leinweber zu Cassel oder im ampt und habe ihre innunge, ausgescheyden uf freyen jarmarkten. Doch seind hierin unsere burgere und burgerin und inwönere im ampt nicht gemeint, dan denselbigen garn zu notwendigem leinwand in ihre haushaltung machen zu laßen zu keufen verstattet sein soll. Uf einem vorkauf aber sols niemand als wer sich dießer innung gebraucht zugelassen sein. Wer das verbreche, der soll das verbuissen mit einem halben gulden, uns, unser stadt Cassel und dem handwerk als vor unterscheyden ist.
23. Auch soll niemand von diesem obgenantem handwerk gestolen oder raubgut welcherley das ist keufen. Wer das tet mit wissen, der solt das verbueßen mit einem pfund pfenninge, uns, unser stadt ehegenand und dem handwerk iglichem als vorgeschrieben stehet. Kaufte er es aber wissens oder unwißens, kommen diejhenen den das gewest were, den solte er das wiedergeben vor den pfenning als er es gekauft hette ohn wiederrede.
24. Auch sollen die leinweber ides jahrs neue meister kiesen auf den sontag vor Pfingsten uf ihr eyde und der sollen die alten meister einen kiesen, das handwerk gemeinlich einen. Und wer dan so gekoren wurde und das wiederspreche, der solt es verbuissen mit einem zober biers dem handwerk. Und wan die neuen meister gekoren sein, so sollen die alten meister uberandworten den neuen meistern des handwerks brieve und geld und was sie schuldig sein betzahlen zu stund ohne vertzug.
25. Auch sollen die meister des handwerks macht haben, wer buße verbricht als geschrieben stehet, das sie den mögen pfenden, darvon von uns, unser erben, der ehegenanten stadt und des handwerks wegen. Wer pfande wehret die [er] gebrochen hette, der solte es verbuißen mit acht albus, uns, der ehegenanten unser stadt und dem handwerk iglichem als vorgeschrieben stehet.
26. Was sie auch guter gewonheit und gebot unter einander sesten die wieder uns, unser erben, die obgenante unser stadt nicht sein, die sollen sie unter einander halten. Und welcher sich darwieder seste, der soll es verbuißen mit solcher bueß, als sie darauf sesten, und die bueß sol dan uns, unsern erben, unser stadt Cassel und dem handwerk gefallen als vor unterschieden ist [und] solt in unsere beampte helfen pfenden als dicke des not geschehe.
27. Nachdem wir auch berichtet, das allerley betrug und vorteil im verkauf des leinengarns gesucht und gebraucht, in dem das die haspel nicht ihre rechte lengde noch die strenge oder haspel ihre volkommene zahl haben, so wollen wir das in stadt und ampt Cassel der haspel eine lengde, auch gleich zahl der gebende die strenge und haspel haben sollen. Und dieweil in andern unsern ambten wie auch andern anstoßenden lande die haspel ungleiche lengde haben, so wollen wir das die sämbler und verkeufere das lange garn nicht unter das kurtze, sondern ein ide gattung allein binden und verkeufen, auch in einer iden haspel ihre volkommende gebinde und zahl lifern bey verwirkung des garns so in unsere lichtcammern gelifert und dartzu die ubertreter nach große ihrer uberfarung in unser buiße verfallen sein.
Doch behalten wir uns und unsern erben solche zunft, innunge und gilde nach unserm gutbedunken, willen und gefallen zu renoviren, zu mindern, mehren oder gantz und gar nach unserm gefallen abtzuschaffen ohne geverde.
Und des zu uhrkund etc.

Sprache des Originaltextes

deutsch

Nachweise

Aussteller

Hessen, Landgrafen, Wilhelm IV.

Empfänger

Kassel, Leinenweber

Weitere Orte

Kassel (Stadt Kassel) · Kassel (Stadt Kassel), Amt · Kassel (Stadt Kassel), Gericht

Sachbegriffe

Zünfte · Zunftordnungen, Bestätigen von · Handwerker, Leinenweber · Bürger · Zünfte, Aufnahme in · Zunftmeister · Gesellenbriefe · Almosenkasten · Handwerker, Lehrlinge · Gesinde · Zünfte, Arbeitsbeschränkung für Meister · Handwerker, dörfliche · Gerichte · Märkte · Beamte · Haspeln

Textgrundlage

Stückangaben, Regest

Eckhardt, Stadtrechtsquellen Kassel

Original

Eckhardt, Stadtrechtsquellen Kassel

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 16647 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/16647> (Stand: 23.04.2024)