Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 5: Erste Tage im Schützengraben, 27. Sep.–3. Okt.

[8-10] 27. Sept. Sonntag früh Morgens fertig machen der Schützengräben, nun liegen wir darinnen, es denkt jeder an zu Hause, mit wehmütigem Sinn. Auch ich denke an meine Lieben, an den schönen Zwetschenkuchen, den es jetzt zu Hause gibt, und ein schönes Mittagessen, und hir haben die Leute seit gestern kein Brodt mehr, die Feldtküche [S. 9] konte nicht zu uns, hoch im Bogen schwirren die feindliche und unsre Granaten. Den 28. in Schützengraben, Nachmittags hatten wir das Unglück, daß ein Schrappnell in meine Gruppe einschlug, dabei wurde Kamrad Weber1 aus Kleinseelheim sofort getödet, Selzer schwer Verwundet, Beker und Obermann leicht Verwundet. Auserdem hatten wir an diesem Tage noch 2 tote und 10 Verwundete. Die ganze Nacht haben wir geschaft und uns ein Unterstand gebaut.

Den 29. Sept. Nachts zweimal Angriff der Franzosen zurückgeschlagen, heute sietzen wir in unserm Unterstand. Es gefällt uns heute ausgezeichnet. Wir haben einen schönen Aufenthalt, sietzen 2 mtr. unter der Erde, und fühlen uns so siecher wie in Abrahams Schooß. Wir haben Zigarren und Taback zu rauchen im Überfluß. Konservenfleisch mag keiner mehr ansehen, die französische Attilliri läßt uns zimlich in Ruhe, schießt zimlich hoch über uns weg.

30. Sept. dasselbe, heute Morgen habe ich einen ins Dorf geschickt um Thee zu kochen, auch haben wir Kakao und Klühwein, ist natürlich kalt, heute werden Liebesgaben vertheilt, Tabak, Zigarren und Zigarretten. [S. 10]

1. Okt. Keine Veränderung der Lage. 2. Okt. zimlich dasselbe. Nachts auf dem feindl. linken Flügel ein Durchbruchsversuch, Franzosen mit großen Verlusten zurück geschlagen, heute Abend sollen wir abgelöst werden, sind abgelöst worden. 3. Okt. Ruhetag, Biwack 2 Klm. hinter Servon. Wir liegen in Dekungsgräben, es ist sonst ganz gemütlich hir, Essen haben wir jetzt genug. Wir kochen Kartoffeln und Äpfel u.s.w. 4. Okt. Sontag. Auser einigen kleinen Funknonen [?] haben wir Ruhe, von Mittag bis Abend liegen wir in Gefechtsbereitschaft.


  1. Nach dem Sterbenebenregister Großseelheim von 1914 (HStAMR Best. 915, Nr. 3813, Nr. 16) handelte es sich um den Reservisten Heinrich Weber aus Kleinseelheim, der am 28.9. im Kampf bei Servon fiel. Er war 29 Jahre alt, verheiratet und von Beruf Schuhmacher.

Personen: Preis, Heinrich · Weber, Heinrich · Selzer, Soldat · Becker, Soldat · Obermann, Soldat
Orte: Kleinseelheim · Servon-Melzicourt · Großseelheim
Sachbegriffe: Schützengräben · Zwetschenkuchen · Feldküchen · Granaten · Schrapnells · Gefallene · Verwundete · Franzosen · Zigarren · Konservenfleisch · Artillerie · Kakao · Tee · Glühwein · Biwaks · Kartoffeln · Truppenverpflegung · Schuhmacher
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 9: Erste Tage im Schützengraben, 27. Sep.–3. Okt.“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-5> (aufgerufen am 23.04.2024)