Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Theodor Birt, Vor der Entscheidung! Lazarett-Ansprache, 1917

Abschnitt 4: Die Kaiserherrlichkeit Friedrich Barbarossas

[9-12] Wie kommt es, daß der deutsche Soldat in diesem Kriege gegen die offenbare Uebermacht so siegreich ist? 2000 Jahre alt ist die deutsche Geschichte; wir kennen den deutschen Soldaten von früh an. Die Deutschen sind in der Schlacht fast immer siegreich gewesen. [S. 10] Trotzdem ist es unserem Vaterland früher nur allzuschlimm ergangen. Das lag an der Politik, es lag am Staatswesen. Es ist nützlich und seelenstärkend, das sich vor Augen zu führen.

Wie anders steht heute unser Kaiser Wilhelm da als die großen Kaiser des Mittelalters! Wer hat nicht von der alten deutschen Kaiserherrlichkeit gehört? Von Otto dem Großen, der im Dom von Magdeburg begraben liegt, oder von Kaiser Friedrich Barbarossa, Friedrich dem Rotbart? Unsere Kinder lernen auf den Schulen wenigstens seinen Namen, und unsere Dichter singen von ihm:

Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterirdischen Schlosse
Hält er verzaubert sich ...
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Auf dem der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt . . .
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wird einst wieder kommen
Mit ihr zu seiner Zeit.

700 Jahre ist das her; es klingt für uns wie ein Märchen. Es war die Zeit, als man noch nicht mit Handgranaten und Bajonetten focht, und von Torpedos [S. 11] und Schrapnells wußte man noch nichts. Mit dem Schwerte hieb man aufeinander los; in der Schwertfechtkunst waren die Deutschen immer die ersten. Ritter in klirrenden Kettenpanzern, im Eisenhut mit geschlossenem Visier und eisernen Fausthandschuhen, an der Stoßlanze ein buntes Fähnchen: so ritten die Ritter hoch zu Roß in die Gefechte, schwerfällig, aber wuchtig und ungestüm. Der Deutsche hat nie mit sich gespart, hat sich freudig in jede Gefahr geworfen.

Friedrich Rotbart war ein Hohenstaufe; in Schwaben war der herrliche Mann geboren; in Frankreich1 wurde er zum König gewählt; in Rom über dem Grab des Apostels Petrus ließ er sich vom Papst zum Kaiser krönen. Die alte Kaiserkrone, die er trug, ist noch vorhanden, sie hat ein Gewicht von 3½ Kilogramm; in der Schatzkammer in Wien wird sie aufbewahrt; da ruht sie aus für immer. Was hat dieser Rotbart nun so Großes getan? Er war Kriegskaiser, nicht Friedenskaiser, sein Leben lang. Einen unbotmäßigen deutschen Herzog, Heinrich den Löwen, der in Braunschweig saß, warf er nieder. Sonst aber hatte er ganz andere Ziele. Nach Italien führte er sein Ritterheer wieder und wieder, um Mailand, um die Lombardei zu bezwingen, um als Herr in Italien dazustehen. In der Tat huldigten ihm zeitweilig Italien, ja, auch England, weiter [S. 12] Dänemark, Böhmen und Burgund. Ein prangendes Reichsfest gab er zur schönen Sommerzeit in der Rheinebene bei Mainz, der „goldenen Stadt", wo Volksscharen und Fürsten herbeiströmend ihm huldigten und die Weine aus den Brunnen flossen. 6 Jahre darnach nahm er das Kreuz, raffte ein Heer und zog abenteuernd nach Jerusalem in den Orient, um das Heilige Grab aus den Händen der Sarazenen zu befreien. Durch Serbien und durch Rumänien ist schon damals das siegreiche deutsche Ritterheer gefahren; es hat sich hindurchgeschlagen. Auf der Linie der heutigen Bagdadbahn, durch Kleinasien, zog er weiter, als der Tod ihn traf. Er ertrank im Flusse Salef; sein Leichnam wurde nicht zurückgeschafft, und nichts blieb von seiner Herrlichkeit übrig. Deutsche Kraft und deutsches Blut wurde damals vergeudet und falsch verbraucht.


  1. Im Exemplar der Universitätsbibliothek Marburg handschriftlich korrigiert in "Frankfurt".

Personen: Birt, Theodor
Empfohlene Zitierweise: „Theodor Birt, Vor der Entscheidung! Lazarett-Ansprache, 1917, Abschnitt 4: Die Kaiserherrlichkeit Friedrich Barbarossas“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/119-4> (aufgerufen am 18.04.2024)