Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Höhle, Kriegstagebuch eines Lehrers aus Landau, 1914-1919

Abschnitt 1: Das Attentat von Sarajewo und die drohende Kriegsgefahr

[11-12] Sonntag, den 28. Juni, feierten wir Lehrer, Karl Gerhard, als zweiter Lehrer u. ich, Lehrer Heinrich Höhle, als erster Lehrer mit unseren Schulkindern das Schulfest. In der Kirche sangen die Kinder: Lobt froh den Herrn, Ihr jugendlichen Chöre. Nachmittags spielten wir im Stuken mit den fröhlichen Kindern. Zahlreiche Eltern u. Angehörige der Kinder schauten zu u. freuten sich der glücklichen Schar. (Wer hätte wohl daran gedacht, daß an dem Tage nachmittags 4 Uhr Erzherzog Franz Ferdinand von Östreich u. seine Gemahlin unter Mörderhänden in Sarajevo verbluteten.)

Montag, den 29. Juni. Ich war, da wir nach dem Schulfest 1 Tag schulfrei hatten, in Alraft zu Besuch in meinem Elternhause. Bei der Rückkehr nach Landau komme ich gegen 6 Uhr nachmittags bei die Gastwirtschaft Opperbach u. erfahre durch meinen Jugendfreund Hermann Schmalz die Kunde von dem grausigen Morde. Der Stationsvorsteher von Meineringhausen meint, daß nun der Weltkrieg ausbrechen würde. Ich teile seine Ansicht u. fahre voller Aufregung nach Hause.

Am 30. Juni bin ich mit Herrn Gerhard in Bühle zu Besuch. Der um 20 J. ältere Kollege Albrecht dort sagt auf meine Anspielung auf den Krieg: „Ach was, gibt keinen Krieg." Nach u. nach wird man in den folgenden Wochen ruhiger. [S. 12]

Da platzt Östreichs Ultimatum an Serbien dazwischen. Montag, den 27. Juli morgens 7 Uhr bringt Kollege Gerhard die Nachricht mit: Serbien lehnt Ultimatum ab.

So bricht der Krieg zwischen beiden Mächten (Östreich - Serbien) aus, 4 Wochen nach dem Attentat. Dienstag, den 28. Juli. Kollege Gerhard u. ich sind mit Herrn Lehrer Albrecht Bühle an der Watter u. fangen Fische. Gegen 4 Uhr stehe ich an der Watter über dem Steinbruch über Wilken jetzt Mewes Mühle. Da höre ich, wie die Militärmusik in Arolsen (8 km von hier) den Marsch spielt: Preußens Gloria. Ich höre die Melodie ganz deutlich u. denke, die Mobilmachung ist befohlen. Die anderen hören die Musik nicht. Am anderen Tage höre ich, daß die Soldaten vom 3. Batl. 831 in Arolsen ein Sportfest auf dem Königsberge gefeiert haben. Daher also die Musik.

Donnerstag, den 30. Juli. Die Zeitungen malen den Krieg, aber noch nicht bestimmt. Eine friedliche Beilegung ist noch möglich.


  1. Das III. Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 83.

Personen: Franz Ferdinand, Österreich, Erzherzog · Gerhard, Karl · Höhle, Heinrich · Schmalz, Hermann · Bühle, Albrecht
Orte: Landau · Alraft · Sarajevo · Meineringhausen · Österreich · Serbien · Arolsen
Sachbegriffe: Lehrer · Schüler · Attentat von Sarajevo · Schulfeste · Militärmusik · Zeitungen · Infanterie-Regiment Nr. 83
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Höhle, Kriegstagebuch eines Lehrers aus Landau, 1914-1919, Abschnitt 11: Das Attentat von Sarajewo und die drohende Kriegsgefahr“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/15-1> (aufgerufen am 24.04.2024)