Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Vöhl

Ortsteil · 300 m über NN
Gemeinde Vöhl, Landkreis Waldeck-Frankenberg 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

9 km südöstlich von Korbach

Lage und Verkehrslage:

Langgestrecktes Dorf am Aselbach in einer Senke nördlich des Edersees. Kirche in leicht erhöhter, zentraler Lage. Verbindung über Landstraßen in alle Himmelsrichtungen.

Ersterwähnung:

1144

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • predium (1144)
  • villa (1307)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1871

Älteste Gemarkungskarte:

1842-1849

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3496172, 5674453
UTM: 32 U 496100 5672623
WGS84: 51.204997° N, 8.944167° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

635019150

Flächennutzungsstatistik:

  • 1854 (Morgen): 3136, davon 2232 Acker, 225 Wiesen, 572 Wald
  • 1885 (Hektar): 780, davon 464 Acker (= 59.49 %), 46 Wiesen (= 5.90 %), 151 Holzungen (= 19.36 %)
  • 1961 (Hektar): 780, davon 177 Wald

Einwohnerstatistik:

  • 1585: 44 Haushaltungen
  • 1629: 35 Haushaltungen
  • 1742: 57 Haushaltungen und 3 Juden

Diagramme:

Vöhl: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • Um 1360: Herrschaft Itter
  • 1215: Kloster Haina (die Vogtfreiheit des Zisterziesenserklosters wurde in der Folge wiederholt sowohl vom König als auch vom Erzbischof von Mainz bestätigt)
  • 1585: Landgrafschaft Hessen-Marburg, Herrschaft und Gericht Itter
  • 1604: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Herrschaft Itter
  • 1648/50: Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Herrschaft Itter
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Amt Herrschaft Itter
  • 1806: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Itter
  • 1820: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Herrschaft Itter
  • 1821: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Vöhl
  • 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Biedenkopf
  • 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Vöhl
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Frankenberg (bis 1886 noch als Amtsbezirk/Verwaltungsamt Vöhl)
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Frankenberg
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Frankenberg
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Waldeck-Frankenberg

Altkreis:

Frankenberg

Gericht:

  • 1821: Landgericht Vöhl (dem Hofgericht für die Provinz Oberhessen in Gießen unterstellt)
  • 1867: Amtsgericht Vöhl
  • 1932: Amtsgericht Frankenberg (Landgerichtsbezirk Marburg)
  • 1933: Amtsgericht Korbach

Herrschaft:

Kloster Haina verfügte hier über Grundbesitz, nicht aber über die Gerichtsrechte. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts gelangt Vöhl in den Einflussbereich der Herrschaft Itter, deren Herren die Gerichtsbarkeit anstreben. Die Herrschaft Itter wiederum befindet sich in einem zwischen den Erzbischöfen von Mainz, den Landgrafen von Hessen und den Grafen von Waldeck ausgetragenen Konflikt um die Landeshoheit. 1356/57 kommt es zur Eroberung der Burg Itter durch die Konkurrenten, die sich die Herrschaft Itter in der Folge teilen. Die Herrschaft wird von Mainz, den Grafen von Waldeck und den Landgrafen von Hessen als Pfand ausgegeben, namentlich an die Familie der Wölfe von Gudenberg. 1470 schlichtet Landgraf Heinrich III. einen Streit zwischen Kloster Haina und dem Inhaber der Herrschaft Itter, Tile Wolf von Gudenberg, dessen Sohn sich Rechte des Klosters u.a. in Vöhl anmaßte. Im 16. Jahrhundert gelangt die Herrschaft Itter endgültig an Hessen. Bei der Festlegung der waldeckisch-itterschen Grenze 1590 fällt u.a. Vöhl der Landgrafschaft Hessen zu.

Gemeindeentwicklung:

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform gebildeten Gemeinde s. Vöhl.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • 1144 überträgt Graf Poppo zu Reichenbach u.a. das Eigengut (predium) Vöhl dem neugegründeten Kloster Aulesburg, später Haina. 1215 bestätigte der Mainzer Erzbischof Siegfried dem Kloster Haina den Besitz von Vöhl. In der Folge kann das Kloster seinen Besitz durch Erwerb und Schenkungen vermehren.
  • 1318 und 1470 hatte auch Kloster Berich Besitz in Vöhl.

Zehntverhältnisse:

1241 hat Sibodo der Ältere von Itter ein Viertel des Zehnten in Vöhl dem Propst Konrad und dem Kloster Berich verpfändet

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • 1225: plebanus (HStAM Bestand Urk. 85 Nr. 8276)
  • 1843 heutiger klassizistischer Saalbau im Anschluss an einen barocken Westturm mit gedrungener Haube (1769) errichtet; romanischer Portalrest des Vorgängerbaus noch vorhanden.

Patrozinien:

  • Cyriakus; Martinus

Pfarrzugehörigkeit:

Schon im Mittelalter Pfarrei, zu der 1585 und später Basdorf, Marienhagen und Asel als Filiale gehören.

1677 bis 1835 besteht eine zweite Pfarrstelle als Diakonat, mit der Oberwerba verbunden wird. 1871 sind Asel, Basdorf und Marienhagen Filiale, Oberwerba ist aequaliter unierte Pfarrei. 1892 wird Basdorf-Oberwerba eigenständige Pfarrei, Asel und Marienhagen bleiben Filialgemeinden.

Patronat:

1303 schenkten die von Westerburg-Löwenstein ihre Vogtei und den Patronat in Vöhl den Johannitern in Wiesenfeld

1585: landgräflich durch Erbschaft

Diakonische Einrichtung:

1926 nach Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 119 Gemeindestation mit zwei Schwestern, auch für Basdorf und Oberwerba

Bekenntniswechsel:

Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen ab 1526.

Erster nachweisbarer evangelischer Pfarrer: Johannes Walter 1533-1547

Reformierter Bekenntniswechsel: 1606, 1624 wieder lutherisch.

Kirchliche Mittelbehörden:

15. Jahrhundert: Erzbistum Mainz, Archidiakonat St. Stephan, Dekanat Christenberg, Sendbezirk Vöhl (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion)

Juden:

1830: 76 Juden; 1860: 46 Gemeindemitglieder; 1885 22 Familien (ca. 100 Personen) 1905: 86 Juden; 1932/33 35 Juden (4,49% der Gesamtbevölkerung)

1682: Ersterwähnung Vöhler Juden

Seit Ende des 18./Beginn des 19. Jahrhunderts eigenständige jüdische Gemeinde in Vöhl. Erste seßhafter Jude im Ort kam aus Frankenau; 1835 waren 21 Familien im Ort ansässig. 1895 25 Haushalte in der Gemeinde, 2 davon in Marienhagen und eine in Basdorf. 1924 noch 12 Gemeindemitglieder. Nach 1933 siedeln viele jüdische Bewohner nach Frankfurt/Main um; von dort aus wurden viele von ihnen deportiert vermutlich 15 Personen umgekommen. 10 Personen wanderten in die USA aus.

Berufe: Händler (kein Viehhandel); vor 1933: eine Metzgerei, ein Eisenwarengeschäft; zwei Textilgeschäfte; ein Kolonialwarengeschäft; Delikatessengeschäft.

Vor dem 1. Weltkrieg ein Jude im Gemeinderat Vöhl.

Gemeindestatuten datieren von 1829; 1843 Synagogenordnung erlassen. 1827 (zugleich Jahr der Ersterwähnung einer Synagoge im Ort) Fertigstellung des Synagogenbaus, 1829 Einweihung der Synagoge in der Judengasse, heute Mittelgasse. Zuvor wurde das Gebäude nur als Schule genutzt. Zwischen 1829 und 1938 werden dort Gottesdienste abgehalten. (synagoge-voehl)

Schülerzahlen: 1863 26 Schüler aus Vöhl, Basdorf, Marienhagen und Oberwerbe. Nach 1900 Rückgang der Schülerzahl, erst 17, 1907 noch 8, 1913 noch 7 und 1922 noch 3 Kinder. 1923 wurde die Schule aufgehoben und das Gebäude verkauft. Die verbliebenen 3 jüdischen Kinder besuchten nun die christliche Schule.

Gemeinde nutzt den Friedhof in Frankenau bis 1830 mit. 1834 erhält Vöhl einen eigenen Friedhof im nördlichen Ortsteil an der Straße Herzingsgrube. ( alemannia-judaica)

Gemeinde gehört zum Provinzial-Rabbinat Marburg (bis 1868 Gießen); angeschlossen ist die Gemeinde Marienhagen; seit 1905 auch die Gemeinde Basdorf.

Schächteramt

Kultur

Schulen:

Letztes Viertel des 16. Jahrhunderts Errichtung einer Schule; Schulmeister: Tobias Lucanus bis 1606; 1910 Volksschule mit zwei Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

Zum Sendbezirk Vöhl gehören im 15. Jahrhundert: Altenlothheim, Asel, Basdorf, Ederbringhausen, Harbshausen, Herzhausen, Marienhagen, Quernhorst, Schmittlotheim, Vöhl. Ferner sind Kirchlotheim und Buchenberg hinzuzurechnen.

Nach 1661 wird Vöhl vorübergehend als Residenz von Landgraf Georg III. von Hessen-Darmstadt genutzt.

1841-1924 gehören zum Dekanat Vöhl die Kirchspiele Eimelrod, Höringhausen, Kirchlotheim, Obernburg, Vöhl und Basdorf.

1821 gehören zum Landratsbezirk Vöhl die Gemeinden Altenlotheim, Asel, Basdorf, Buchenberg, Deißfeld, Dorfitter, Eimelrod, Harbshausen, Hemmighausen, Herzhausen, Höringhausen, Kirchlotheim, Marienhagen, Niederorke, Obernburg, Oberwerba, Schmittlotheim, Thalitter, Vöhl. Die gleichen Gemeinden bildeten 1852 den neugebildeten Kreis Vöhl, der unter der preußischen Regierung 1867 im Landkreis Frankenberg aufging, aber als Amtsbezirk bzw. Verwaltungsamt Vöhl bis 1886 weiterbestand.

Markt:

1664: Marktrecht verliehen

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Vöhl, Landkreis Waldeck-Frankenberg“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/1434> (Stand: 27.11.2022)