Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Der Rückmarsch des 9. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr.160 nach Hessen, 1918

Abschnitt 6: Rückmarsch über die deutsche Grenze nach Trier

[384-385] Der 18. November sah das Regiment auf dem Marsche über Oetringen1, Kanach2, Lenningen3, Wormeldingen4, Vincheringen5, Ober-Söst nach Fisch6. Marschleistung 21 km. Hinter Wormeldingen wurde die deutsche Grenze mit einem Parademarsch vor dem Brigadekommandeur, der an der Moselbrücke Aufstellung genommen hatte, überschritten. Der Regimentskommandeur hielt bei diesem denkwürdigen Anlaß eine Ansprache und dankte der Truppe für ihre Leistungen in Feindesland und für die bisherige Disziplin. Vor Wincheringen hatte die deutsche Bevölkerung Ehrenpforten aufgebaut. Die Truppen hatten sie verdient; denn unbesiegt setzten sie ihren Fuß auf die heimatliche Erde. Der warme Empfang erfüllte sie mit Freude und ließ sie ahnen, daß die Revolution doch nicht Allgemeingut des deutschen Volkes geworden war. Unter den Klängen der Musikkapelle „Deutschland, Deutschland, über alles" und [S. 385] dem freudigen Zuruf der Bevölkerung wurde der Ort durchzogen. Regiments-Stab und III./160 wurden in Fisch untergebracht, II./160 in Söst, I./160 in Kümmern7. Die Unterkunft war leidlich, nur beim I. Bataillon schlecht und kümmerlich. Zum erstenmal kamen wir hier mit einem Soldatenrat in des Wortes übler Bedeutung zusammen. Eine Kolonne hatte sich in den uns zugewiesenen Quartieren breit gemacht; ihr sog. „Soldatenrat" glaubte unseren Frontsoldaten imponieren zu können; doch diese schafften bald Ordnung.

Der 19. 11. war Ruhetag. Vormittags Gottesdienst, abends Kompagniefeiern im alten Stil. Zugleich trat der erste der unheilvollen Entlassungsbefehle in Kraft, die uns das Schwert vollends aus der Hand wanden. Alle Mannschaften, die ihren Heimatsort im Fußmarsch erreichen konnten, durften entlassen werden.

Wer konnte es den Leuten, die über vier Jahre im Felde gestanden, verübeln, wenn jetzt bei gegebener Möglichkeit der Drang nach Hause und die Sorge um die Ihrigen in diesen unsicheren Zeiten übermächtig wurden. Nun war es unmöglich, mit Gewehr bei Fuß am Rhein und im Hinterland stehen zu bleiben bis zu einem besseren Friedensschluß, als er nachher erfolgte. Die ersten Kameraden nahmen Abschied; die Zahl der alten Frontkrieger schmolz nun von Tag zu Tag zusammen. — Auch der 20.11. war Ruhetag. Die Entlassungen nahmen ihren Fortgang. Das Wetter war trübe und regnerisch, so rechtes Abschiedswetter. Am 21. 11. 8 Uhr erfolgte Abmarsch über Mannebach8, Wawern, Cony9 [!] nach Trier. 25 Kilometer! Strahlender Sonnenschein. In Trier feierlicher Empfang. Stolz marschierte I.R. 160 zum letztenmal an seinem Kommandeur vorüber. Der Einzug glich einem Triumphzug. Die Straßen mit Fahnen geschmückt, ein Ehrenbogen neben dem anderen! Nur einzelne frei umherlaufende Franzosen, ehemalige Gefangene, störten das festliche Bild. Die Kompagnien wurden in der Jäger- und Maximiliankaserne untergebracht.

Der 22. November brachte einen anstrengenden Marsch von 27 km. über Ruwer10, Longuich, Fell11 nach Büdlich12 (Reg.-Stab und III./160), Beuren13 (I./160), Heidenburg (II./160). Die Unterbringung war gut. Hier verblieb die Truppe zwei Tage. Ein allgemeines Heimatfieber setzte ein. Die Furcht gewann Oberhand, zu spät nach Hause zu kommen und von den Franzosen abgefangen zu werden. Der Befehl traf ein, daß alle linksrheinisch beheimateten Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften entlassen werden könnten. Aerzte und Schreibstuben hatten die Hände voll zu tun mit Untersuchung der zu Entlassenden und Ausfertigung der Papiere. I.R. 160 als rheinisches Regiment war von dem Befehl besonders stark betroffen. Am 23. und 24. November nahm der Kern der Kompagnien seinen Abschied. Es fehlte aber auch nicht an solchen, die freiwillig noch bei der Truppe blieben.


  1. Oetringen (Eiter), Ort östlich der Stadt Luxemburg.
  2. Kanach (Kanech), luxemburgischer Ort 5 km östlich Eiter.
  3. Lenningen (Lenneng), luxemburgischer Ort südwestlich Wormeldingen.
  4. Wormeldingen (Wormeldange), luxemburgischer Ort an der Mosel.
  5. Wincheringen, Stadt Saarburg, Kreis Trier-Saarburg.
  6. Fisch, westlich Saarburg, Kreis Trier-Saarburg
  7. Kümmern, nordwestlich Saarburg, Kreis Trier-Saarburg.
  8. Ort nordwestlich Saarburg, Kreis Trier-Saarburg.
  9. Konz, Ort an der Mosel südwestlich Trier.
  10. Ruwer, Ort an der Mosel nordöstlich von Trier.
  11. Fell, Ort im Moselhunsrück, südlich Longuich.
  12. Büdlich, Ort im Hunsrück südlich Trittenheim.
  13. Beuren, Ort im Hochwald, nördlich Hermeskeil.

Orte: Oetringen · Kanach · Kanech · Lenningen · Wormeldingen · Mosel · Wincheringen · Ober-Söst · Fisch · Eiter · Luxemburg · Lenneng · Wormeldange · Kümmern · Mannebach · Wawern · Konz · Trier · Ruwer · Longuich · Fell · Büdlich · Beuren · Heidenburg · Hermeskeil
Sachbegriffe: 9. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 160 · Truppenrückmarsch · Parademarsch · Brigadekommandeure · Regimentskommandeure · Ehrenpforten · Novemberrevolution · Nationalhymnen · Deutschland, Deutschland über alles · Soldatenräte · Quartiere · Gottesdienst · Kriegsgefangene · Franzosen · Kasernen · Offiziere · Unteroffiziere · Schreibstuben · Ärzte
Empfohlene Zitierweise: „Der Rückmarsch des 9. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr.160 nach Hessen, 1918, Abschnitt 17: Rückmarsch über die deutsche Grenze nach Trier“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/114-6> (aufgerufen am 16.04.2024)